Der fiktive Philosoph Antoine Bachsirad (1879 bis 1979) und seine "Odyssee"-Analysen sind der Dreh- und Angelpunkt für Isabella Breiers neuen Roman "DesertLotusNest", der sich auf drei Ebenen abspielt: Es gibt drei Hauptprotagonistinnen, die jede ihre ganz eigene Odysee erleben.

Da ist zum einen die prekär beschäftigte "Wissensarbeiterin" Zahra, die mit Anfang vierzig auf die Jagd nach einem angeblich aufgetauchten Bachsirad-Nachlass geht - soll man es nun Schnitzeljagd oder eher Irrfahrt nennen, was sie dabei durchläuft? Gleichzeitig arbeitet die Enddreißigerin und zweifache Mutter Esther an einem akademischen Ghostwriting-Auftrag zu Bachsirads "Odyssee"-Abhandlung und landet im Zuge ihrer Recherchen in einem Wüstencamp für Arbeitslose namens "DesertLotusNest" (so heißt auch ein Langgedicht von Bachsirad, auf das im Roman Bezug genommen wird). Die Dritte im Bunde schließlich ist Leonore, Anfang fünfzig, die nach ihrer Kündigung beim Arbeitslosencampbetreiber Benu-up nun zuhause in Wien über das "DesertLotusNest" schreibt und wie weiland Karl May über fiktive Abenteuerreisen fantasiert, die sie zu Papier bringt.
Daraus ergibt sich ein Roman, den man durchaus als modernes Roadmovie bezeichnen könnte, getragen von drei Frauen, die miteinander in Beziehung stehen, in Beziehung treten, sich gleichzeitig (auch von sich selbst) entfremden. Daneben tauchen noch andere Figuren auf, allesamt (zum Teil sehr) schräge Vögel, die mehr oder weniger mit dem Bootcamp oder mit Bachsirad zu tun haben - oder mit beiden. Und natürlich sind weder der Titel des Romans noch jene der darin vorkommenden Bücher samt ihren Themen Zufall. Das beginnt beim (heimeligen? naja) Lotus-Nest in der Wüste (engl. "desert"), geht über die "Odyssee" (in der Handlung stecken mehr als eine) und endet beim Phönix, jenem sagenhaften Vogel, der aus der eigenen Asche aufersteht.
Man braucht freilich einiges an Durchhaltevermögen, denn Breiers Text ist zwar gespickt mit Satire und hämischem Humor, aber doch auch stilistisch und philosophisch anspruchsvoll. Es ist hohe Literatur, nichts für einmal bloß rasch durchlesen. Die will schon, dass man sich Zeit für sie nimmt und sich damit in Ruhe hinsetzt, damit sie ordentlich verdaut werden kann. Vor allem gilt es zwischen den Zeilen auf der sogenannten Metaebene zu lesen. Dann erkennt man auch die vielen Spitzen, die Breier (ganz bewusst oder vielleicht auch zufällig?) hineingewebt hat. Allein schon die Leistung, einen ganzen Philosophen samt seinem Gesamtwerk zu erfinden, muss entsprechend honoriert werden.
Isabella Breier: DesertLotusNest
Bibliothek der Provinz; 530 Seiten; 24 Euro
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