"Queer" - das war vor einiger Zeit noch eine alles andere denn freundlich gemeinte Bezeichnung für Homosexuelle. Inzwischen hat das Wort die abwertende Note verloren. Es beschreibt sexuelle Orientierungen jenseits aller Kategorien - und darüber hinaus Lebensweisen, die in keine Norm passen, sondern eher Normen sprengen.

Die ungewöhnlichen Ferien der US-Autorin Maggie Nelson und ihres Liebsten, des Künstlers Harry Dodge, von denen Nelson erzählt, sind ein Beispiel von Freiheit im Zeichen von Queerness: Freiheit des Begehrens, Freiheit, jene Identität zu leben, die man als die wahre eigene fühlt. In Nelsons Fall: "genderqueere Familiengestaltung".

Maggie Nelsons Schwangerschaft war mit Hilfe von Spender und In-Vitro-Befruchtung entstanden. Harry war als Frau geboren worden und hatte mittlerweile durch Testosteron und Operation einen Körper, der als männlich identifiziert wird, obwohl Harry selbst sich weder als Mann noch als Frau identifiziert, sondern von einer "fluiden" Geschlechtlichkeit spricht.

Bestechend offen erzählt Nelson über all das. Aber dieses Sprechen über Alltag, Sexualität, Mutterschaft bildet nur den einen Strang des Buches; diesen verschränkt Nelson in einem locker assoziativen Essaystil mit komplexer Gendertheorie und gesellschaftspolitischen Überlegungen. Dabei geht es immer um die Verweigerung, sich selbst für starre Kategorien passend zu machen. "Queer" beschreibt die harte Arbeit, sich den wahren Impulsen der eigenen Lebendigkeit zu stellen - auch wenn sie völlig "quer" stehen zur gesellschaftlichen Normalität.

Über Gender und strukturelle Gewalt hat Maggie Nelson schon viel nachgedacht: in Gedichten, in Sachbüchern, und im vorliegenden Buch auf eine Weise, die sich faszinierend zwischen Essay und Autobiografie hindurchschlängelt. Minutiös erzählt und kommentiert sie ihre "genderqueere Familie", zu der auch noch ein Sohn aus Harrys früherem Leben gehört. Wie in jeder Familie geht es auch bei ihnen um Liebe, Fürsorge und Fairness - aber auch ganz zentral um das Recht aufs eigene Ich.

Wie war das mit dem Schiff der Argonauten? Auf dessen Reise wurden sukzessive all seine Teile ersetzt, und trotzdem - oder etwa deshalb? - blieb das Schiff die Argo; es behielt seinen Namen und blieb es selbst. Maggie Nelson hat ein hochspannendes Buch über Freiheit und Identität geschrieben.