"Wiener Zeitung": Herr Mann, Sie sind der Sohn der Heinrich Mann-Tochter Leonie und des tschechischen Schriftstellers Ludvik Askenazy. Ihre Kindheit haben Sie in der Tschechoslowakei verbracht, später haben Sie an der Berliner Filmhochschule studiert. Wie kamen Sie zu Tantra?
Saranam Mann: Ich war inspiriert von den 68ern. Und als sich mein bester Schulfreund und meine damalige Freundin ineinander verliebten, habe ich zugestimmt, dass wir zu dritt sind. Aber während unseres Beziehungsalltags wurde mir nach und nach bewusst, dass ich nicht liebesfähig genug bin, und nach fünf Jahren ist diese Beziehung auseinander gegangen, weil ich nicht mehr damit umgehen konnte, dass ich nicht genug liebe. Später wurde mir klar, wie unreif wir alle drei für diese Beziehung waren, trotzdem hat es mich angesteckt, ich fand es toll, zu dritt zu sein. In dieser Zeit der Trennungsphase lernte ich Tantra kennen, erst einmal durch Bücher. Ich dachte, das ist ein anderer Weg, um lieben zu lernen.
Sie haben aber ursprünglich einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen.
Mein Vater kam aus dem Zweiten Weltkrieg und ist dann Pazifist geworden. So bin ich in einem pazifistischen Haushalt aufgewachsen. Als ich später Film studiert habe, dachte ich mir, dass ich meine Kunst dem Guten im Menschen widmen und versuchen will, die Menschen zu motivieren, Ungerechtigkeit und Krieg zu lassen. Mit dem Angebot, eine dreijährige Ausbildung zum Sexualtherapeuten zu machen, sagte ich mir aber, bevor ich Künste mache, will ich zuerst einmal dieses Thema durchdringen.
Was war das Überraschende, das Neue an Tantra?
Das liebevolle Umgehen mit sinnlichen Bedürfnissen jenseits inhuman starrer Beziehungskonzepte. Da geht es um die menschlichen Sehnsüchte nach Nähe, Zärtlichkeit, Sexualität. Das spürte ich ja als Pubertierender, als junger Erwachsener durchaus. Wobei ich aber merkte, die großen Liebesräusche erlebe ich irgendwie noch nicht so intensiv, wie ich das manchmal in der Literatur gelesen hatte, auch in den sexualaufklärerischen Büchern. Das Thema hat mich dann in den Anfängen meiner tantrischen Experimente so tief inspiriert, dass ich mir dachte, das könnte ich lernen. Je mehr Lust ich im Körper erlebe, desto feinfühliger wird mein Herz, desto liebevoller fühle ich mich. Und plötzlich fing ich an, mich viel tiefer zu verlieben als vorher. Dass ich in einem Selbsterfahrungsseminar auf einmal alle Menschen liebe, die dort sind, 20 Teilnehmer, das war unglaublich berührend für mich, dass das geht.