"Dies ist die endgültig letzte Kasperlgeschichte von Otfried Preußler" stand 1973 als Vorwort in "Hotzenplotz 3". Nun, das stimmt so - und auch wieder nicht. Und das kommt so: Der 1923 in Nordböhmen als Otfried Syrowatka geborene Preußler hat - neben etlichen anderen Klassikern - in Summe vier Geschichten über den berühmten Räuber (der rein zufällig so heißt wie eine Stadt und ein Fluss in Schlesien) erzählt: "Der Räuber Hotzenplotz" (1962), "Neues vom Räuber Hotzenplotz (1969)", "Hotzenplotz 3" (1973) und eben "Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete" (1967). Letztere wurde aber nie veröffentlicht. Erst diesen Freitag, fünf Jahre nach Preußlers Tod im Februar 2018, erscheint das 64-seitige Buch - wie schon die anderen drei - bei Thienemann. Damit macht der Verlag Preußler quasi ein posthumes Geschenk zum 95. Geburtstag.

Die Mondrakete würde sich im Hotzenplotz-Universum also hinter Band eins einreihen, in dem der Räuber im alten Feuerwehr-Spritzenhaus gelandet ist, nachdem Kasperl und Seppel ihn eingefangen haben. Im neu erschienenen Buch bricht er nun von dort aus, und das Duo rückt erneut aus, um ihn dingfest zu machen. Denn: "Was einmal klappt, klappt auch ein zweites Mal." Diesmal fälschen sie keine Goldkiste, sondern basteln aus Karton eine Rakete, mit der sie "das Silber vom Mond holen" wollen, wie sie im Wald lautstark verkünden. Hotzenplotz fällt darauf herein, überwältigt die beiden, fordert den Mondflug für sich ein - und steckt am Ende in der Kartonrakete fest. Statt auf dem Mond landet er also wieder im Gefängnis.

"Eine kleine Essenz der Hotzenplotz-Geschichten"

Dass die Hotzenplotz-Fans nun 45 Jahre nach dem letzten Buch doch noch eine für sie neue Geschichte bekommen, haben sie Susanne Preußler-Bitsch zu verdanken: Die jüngste Tochter und Nachlassverwalterin Preußlers hat den Text, der ursprünglich aus einem Dialog mit Regieanweisungen für ein Kasperlstück bestand, als Erzählung adaptiert.

"Dieser Band bietet fast eine kleine Essenz der Hotzenplotz-Geschichten", meint dazu Thienemann-Chefin Bärbel Dorweiler, die sich über das neue, alte Buch riesig freut: "Er ist ausgebrochen, Kasperl hat eine tolle Idee, wie man ihn einfangen kann, die er mit Seppel umsetzt, und am Ende landet der Räuber wieder im Gefängnis. Uns war wichtig, dass bei diesem Buch der gesamte Handlungsbogen - Anfang, Mitte, Ende - tatsächlich von Preußler ist." Ebenso, wie der Illustrator Thorsten Saleina (Jahrgang 1970) sehr nah an den Originalzeichnungen des 1978 verstorbenen Franz Josef Tripp gearbeitet hat, wird auch Preußler-Bitsch dem Stil ihres Vaters durchaus gerecht.

Und der Inhalt ist sowieso ein echter Preußler: Die Guten gewinnen mit Mut, List und einer Portion Glück; die Bösen scheitern letztlich an der eigenen Dummheit. Wobei Preußler mit dem tollpatschigen Hotzenplotz einen fast schon liebenswerten Kriminellen geschaffen hat, der für ihn zu einem Alter Ego wurde: Er schrieb als Hotzenplotz nicht nur Briefe an Fans, sondern auch an Behörden, erzählt Dorweiler.

Sie findet an Hotzenplotz spannend, dass er "ein sehr bürgerlicher Räuber ist, der morgens um sechs Uhr aufsteht, sich um halb acht auf die Lauer legt und auch pünktlich Feierabend macht". Und er ist zwar gemein, aber im Grunde harmlos: Die Pistole ist nur mit Pfeffer geladen, die sieben Messer und der krumme Säbel kommen nie zum Einsatz, und dass Hotzenplotz Seppel in Band eins schimmliges Brot als Abendessen hinwirft (Achtung, Vergiftungsgefahr!), mag eher Räuber-Folklore sein als echte Böswilligkeit. So wie auch der obligatorische Schnupftabak einfach dazugehört. Auch im Jahr 2018.