Da ist er also wieder, der gute alte Räuber Hotzenplotz, der seinem Schöpfer Otfried Preußler einst ans Herz gewachsen ist. Das merkt man auch an der Entwicklung, die er innerhalb der drei regulären Bücher durchgemacht hat: War er zu Beginn plump böse, wurde er am Ende ein geläutertes Opfer von Vorurteilen. In "Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete" (1967), das sich im Hotzenplotz-Universum vom Entstehungsjahr her hinter Band eins, "Der Räuber Hotzenplotz" (1962), einreihen würde, ist er noch dumm wie Brot, wie man so schön sagt, und lässt sich vergleichsweise leicht überlisten (im eigentlichen zweiten Band "Neues vom Räuber Hotzenplotz" (1969) agiert er schon viel schlauer, ehe er in "Hotzenplotz 3" (1973) sogar seine Unschuld beweisen muss).

Kasperl und Seppel rücken jedenfalls aus, nachdem Hotzenplotz aus dem alten Spritzenhaus der Feuerwehr entkommen ist. Wachtmeister Dimpfelmoser hat nämlich schlecht zugesperrt. Flugs wird aus Karton eine Rakete gebastelt, mit der die beiden durch den Wald streifen und lautstark verkünden, dass sie "das Silber vom Mond holen" wollen. Hotzenplotz fällt darauf herein, überwältigt die beiden, fordert den Mondflug für sich ein – und steckt am Ende erstens in einem Sack, den ihm Kasperl und Seppel als "Raumanzug" übergezogen haben und zweitens in der Kartonrakete fest. Und ab geht's zur Polizeiwache und von dort weiter ins ausbruchsichere Gefängnis der Kreisstadt (aus dem der Räuber in "Hotzenplotz 3" tatsächlich nur via Haftentlassung freikommt).

Damit durchläuft Hotzenplotz denselben Haftkreislauf (nämlich vom Spritzenhaus ins Kreisstadtgefängnis) wie im eigentlichen zweiten Band, womit also eine Art Paralleluniversum eröffnet wäre. Aber diesen Umstand lassen wir jetzt einfach einmal außer Acht. Denn erstens wird es den Kindern nicht auffallen und den Erwachsenen egal sein; und zweitens zählt am Ende nur, dass der Räuber überhaupt wieder einsitzt. Und außer Acht lassen wir auch, dass die Geschichte gar nicht so neu ist, wie der Verlag Thienemann vor der Veröffentlichung verkündete, sondern bereits 1969, also zwei Jahre nach der Entstehung, in "Das große Reader's Digest Jugendbuch 10" erschienen sein soll.

Denn die Adaptierung durch Susanne Preußler-Bitsch - die jüngste Tochter und Nachlassverwalterin Otfried Preußlers hat die Kasperlgeschichte, die ursprünglich nur aus Dialogen und Regieanweisungen bestand, ausformuliert - macht das Buch dann noch ein Stück lesenswerter. Abgesehen davon, dass wohl kaum jemand die alte "Readers Digest"-Ausgabe daheim hat und somit der Stoff für viele tatsächlich neu sein dürfte. Neu sind übrigens auch die Illustrationen: Thorsten Saleina (Jahrgang 1970 und damit jünger als die Figur, die er zeichnet) hat sich sichtlich bemüht, den Originalzeichnungen des 1978 verstorbenen Franz Josef Tripp nahe zu kommen und ihn dabei doch nicht bloß zu kopieren. Und so sehen die Figuren den ursprünglichen Illustrationen sehr ähnlich, aber eben doch nicht ganz gleich aus.

Der Federhut von Hotzenplutz freilich sieht wirklich genauso aus wie das Original aus den 1960ern. Und auch der Inhalt ist ein echter Preußler: Die Guten gewinnen mit Mut, List und einer Portion Glück; die Bösen scheitern letztlich an der eigenen Dummheit. Wobei Hotzenplotz, der im Laufe der Zeit für Preußler zu einer Art Alter Ego wurde, in diesem Abenteuer besonders dumm und tollpatisch daherkommt. Dafür bekommt man aber im vorderen Teil ein bisschen mehr Einblick in sein Leben als Räuber - samt geregeltem Tagesablauf. Alles in allem ist die Neuerscheinung mit 64 Seiten zwar deutlich kürzer als die drei anderen Hotzenplotz-Bücher, trotzdem werden Preußler-Fans sie umgehend in ihre Sammlung aufnehmen.