
Endlos aufsteigende Fassaden, gleichmäßig angeordnete Fenster, die Verästelungen stählerner Brückengeländer und Hochbahn-Konstruktionen: Die Ästhetik der architektonischen Kathedralen der Moderne hat die Wahrnehmung der Menschen im letzten Jahrhundert beeinflusst, geprägt und grundlegend verändert. Auf den ersten zehn Seiten von "Fun" zeichnet Paolo Bacilieri auf eine entwaffnend überzeugende Weise einen ästhetischen Zusammenhang, der von der modernen Großstadtarchitektur über das visuelle Medium des Comics bis hin zum enigmatischen Denkspiel der Epoche, dem Kreuzworträtsel, reicht.
Es ist eine brillante Phänomenologie im Zeitraffer, die mit einigen ganzseitigen Aufrissen von New Yorker Architekturgebilden beginnt, dann auf eine Vierpanelseite mit Fassadenausschnitten wechselt, die Panelgitter auf den folgenden Seiten zunehmend enger werden lässt, bis am Ende schließlich ein unausgefülltes Kreuzworträtselraster mit seiner wunderlichen Anordnung geschwärzter Kästchen herauskommt.
Biografische Elemente
Der 1965 geborene Veroneser Bacilieri gehört zu den stilistisch interessantesten italienischen Zeichnern der Gegenwart, der unter anderem Beiträge für die international bekannte Comic-Serie "Dylan Dog" zeichnete. Wandelte er seit den 1980er Jahren bevorzugt zwischen den Genres Krimi, Erotik und Western, so ist der Autor zuletzt aufgefallen durch seinen biografischen Comic "Sweet Salgari" (2012) über den Abenteuerautor Emilio Salgari ("Sandokan"), den man mitunter auch als italienischen Karl May bezeichnet.
Biografische Elemente spielen auch in "Fun" eine herausragende Rolle, geht es doch um die Erfinder und Entwickler des Kreuzworträtsels - mit Beginn im Dezember des Jahres 1913 in New York. Der Comic erzählt die Verbreitung dieser Rätselform in ihren unterschiedlichen Spielarten, unter Berücksichtigung der sprachlichen Eigenarten in diversen europäischen Ländern, bis in die Gegenwart.
"Fun" ist aber weit mehr als eine Geschichte des Kreuzworträtsels, was sich für viele nach einer wenig spannenden Chronik anhören würde. Dass es sich vielmehr um einen recht vergnüglichen Comic handelt, hat unter anderem damit zu tun, dass die renommierten Enigmatisten und Rätselschreiber großer Zeitungen - ziemlich am Anfang steht übrigens mit Margaret Farrar eine Frau - oftmals recht exzentrische Figuren sind, die durchaus Romanfigurencharakter besitzen. Bacilieri verpackt seine Darstellung zum einen geschickt in eine Krimigeschichte, zum anderen gelingt es ihm, die gar nicht so offensichtliche formale Vielschichtigkeit des Kreuzworträtsels ästhetisch und grafisch anschaulich zu inszenieren, und dies mit einer bemerkenswerten leichtfüßigen Eleganz.