
Das Zeitalter einer neuen kapitalistischen Gesellschaftsform ist angebrochen - die Ära der Bereicherungsökonomie, die darin besteht, dass bestimmten vorhandenen Waren wie Luxusgütern, Immobilien, exklusiven Reisen oder Kunstwerken ein besonderer Wert zugesprochen wird. So lautet die zentrale These der französischen Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre, die sie in ihrem über 700 Seiten umfassenden Buch "Bereicherung. Eine Kritik der Ware" entfalten.
Ein Blick in Zeitgeistmagazine illustriert die Diagnose des Autorenduos. Da werden Weine aus Neuseeland, Australien und Chile präsentiert, außergewöhnliche Menüs in Haubenlokalen gepriesen, Berichte über exzessive Clubbings und Privatfeste geschrieben und Reisen in exotische Länder wie
Laos, Vietnam oder Tibet angeboten. Diese neuartige Form des Kapitalismus macht bereits vorhandenes Vermögen wertvoller. In jahrelanger Arbeit haben die beiden Soziologen die aktuelle Warenwelt in Frankreich studiert und analysiert - "wie Rosinenpicker", wie sie ironisch anmerken.
Ökonomischer Wandel
Nicht mehr die industrielle Massenproduktion ist das Paradigmatische des Kapitalismus, betonen Boltanski und Esquerre, sondern die neue ökonomische Formation der Bereicherung, die auf den Industriekapitalismus seit den 1970er Jahren folgt, der hauptsächlich auf die Standardisierung der Konsumgüter ausgerichtet war. Diese industrielle Produktion - die man mit dem Begriff des Fordismus umschreiben kann, bezeichnet die kapitalistische Wirtschaftsform, die sich durch eine enge Verknüpfung der industriellen Warenproduktion mit dem Massenkonsum auszeichnete.
Das Hauptmerkmal war die Fließbandproduktion, mit der eine Optimierung der Arbeitsabläufe erreicht wurde. Dadurch erhöhte sich die Produktivität und damit die Verbilligung der hergestellten Güter, die als Standardform der Waren bezeichnet wird. Durch geringere Kosten für einzelne Produkte wurden Gebrauchsgüter für viele Menschen erschwinglich. In Europa avancierte der Fordismus nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Erfolgsmodell, das bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gültig war.

Die Deindustrialisierung in den westeuropäischen Ländern, die danach erfolgte, verursachte einen ökonomischen Wandel, der den herkömmlichen Industriekapitalismus grundlegend veränderte. Während in dieser Epoche Waren produziert wurden, um sie zu gebrauchen, beruht die Ökonomie der Bereicherung darauf, dass mit Gegenständen gehandelt wird, die mit der Zeit an Wert gewinnen.
Dabei handelt es sich um Objekte wie Kunstwerke, Immobilien, Uhren, teure Weine und andere Luxusgüter, die für die Wohlhabenden bestimmt sind und mit der Aura des Exklusiven versehen werden. Verstärkt wird die Bereicherungsökonomie durch waren-ästhetische Techniken und mediale Verklärungen, die von Werbedesignern oder Journalisten vorgenommen werden.