Wien. Die Regierung könnte im Ministerrat am Mittwoch die neuen ORF-Stiftungsräte bestellen. Das Bundeskanzleramt bestätigte, dass die Parlamentsparteien aufgefordert wurden, mögliche Kandidaten für das oberste ORF-Aufsichtsgremium bis zum morgigen Dienstag bekanntzugeben, wie der "Kurier" berichtet hatte.

"Ja, die Schreiben an die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien wurden ausgeschickt. Das ist ein üblicher Vorgang", hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Dass die Regierung ihre Vertreter sowie jene der Parteien schon am Mittwoch bestellen könnte, wird dort aber nicht bestätigt. "Es wird vor einer der nächsten Stiftungsratssitzungen einen Ministerratsbeschluss dazu geben", hieß es. Die nächste reguläre Sitzung des Stiftungsrats findet am 19. März statt.

Der 35-köpfige ORF-Stiftungsrat ist das oberste Aufsichtsgremium des ORF. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert.

Parteien nominieren

Laut ORF-Gesetz hat jede Partei, die im Nationalrat vertreten ist, das Recht, Kandidaten in das oberste ORF-Gremium zu schicken: Sechs Mitglieder werden von der Bundesregierung unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der politischen Parteien im Nationalrat und unter Bedachtnahme auf deren Vorschläge bestellt.

Die Regierung kann neun Stiftungsräte bestimmen. Kolportiert wurde, dass von den neun Regierungsmandaten fünf statt bisher vier an die ÖVP, zwei an die Grünen und zwei an gemeinsam ausgesuchte Unabhängige gehen sollen.

Vorsitzender des wichtigen Gremiums dürfte Norbert Steger bleiben, der auf Vorschlag der FPÖ im Stiftungsrat sitzt. FPÖ-Chef Norbert Hofer stellte vor kurzem klar, dass seine Partei nicht auf den Vorsitz verzichten und an Steger festhalten werde. Die Regierung hat darauf keinen Einfluss. Eine Abwahl eines Vorsitzenden während laufender Amtszeit ist im Gesetz laut Experten nicht vorgesehen.

Auch der Zentralbetriebsrat, der sich Ende Februar neu konstituiert hat, entscheidet diese Woche, wen er in den Stiftungsrat entsendet. Nach der Betriebsratswahl im vergangenen Monat kam es zur Verschiebung eines Mandats und damit auch eines Stiftungsratssitzes von der "Liste Unabhängige" zu "Unser ORF". Die restlichen Mitglieder dürften gleich bleiben, sagte der neue Zentralbetriebsratschef Stefan Jung. Insgesamt stellt die Belegschaftsvertretung fünf Vertreter im Stiftungsrat.

Neuwahl im ORF: 2022

Das oberste ORF-Gremium genehmigt unter anderem Budgets und Rechnungsabschlüsse und bestellt den Generaldirektor. Die Funktionsperiode des Stiftungsrats dauert vier Jahre, die aktuelle Periode läuft also noch bis 2022. In Folge der Bildung der neuen Bundesregierung kann diese aber laut ORF-Gesetz ihre neun Regierungsstiftungsräte und sechs Parteienvertreter (auf Wunsch der Parteien im Nationalrat) abberufen und neu bestellen.