Dafür, dass beim Schach die stärkste Figur eine Dame ist, ist es ein ziemlich männerlastiges Spiel. Männer dominieren die Schachsportgeschichte. Aber in der Netflix-Serie "Das Damengambit" wird diese Geschlechterverteilung ein bisschen durcheinandergebracht. Da entdeckt das Waisenmädchen Beth Harmon in den 60er Jahren seine Wunderkind-Begabung und schafft es, sich mit seinen genialen Zügen gegen die besten Großmeister durchzusetzen.



Die siebenteilige Miniserie ist weltweit der Suchtfaktor-Hit des zweiten Lockdowns. Und sie führt dazu, dass das Interesse an Schach noch größer wird, als es in diesem Ausnahmejahr, das vielen Menschen mehr freie Zuhausezeit als sonst beschert hat, ohnehin bei anderen Spielen der Fall war. Laut dem Internationalen Schachverband FIDE steigerten sich die Suchen bei eBay von Menschen, die Schachsets suchten, in den ersten zehn Tagen nach der Veröffentlichung von "Damengambit" um ganze 253 Prozent.

Zu viele Felder? In der Tat. Schach übt eben unendliche Faszination aus. - © Unsplash/De An Sun
Zu viele Felder? In der Tat. Schach übt eben unendliche Faszination aus. - © Unsplash/De An Sun

Rekordinteresse im Netz

FIDE beobachtet das neue Faible für Schach aber bereits seit Ausbruch des Coronavirus: So soll sich die Zahl der Online-Schachpartien im Frühjahr fast verdoppelt haben, einschlägige Plattformen wie chess.com oder LiChess verzeichneten 40 Prozent mehr Registrierungen. Der November brachte weitere Rekorde. Auf YouTube und Twitch, wo eigentlich die Videogamingszene sich gegenseitig beim Spielen zusieht, werden Schachpartien zum neuen Straßenfeger. Noch im Februar verfolgten "nur" zwei Millionen auf Twitch übertragene Schachspiele, im April bereits vier Millionen, das verdoppelte sich im Mai nochmal auf acht Millionen.

Auch der Roman, auf dem die Serie basiert, hat es nun wieder in die Bestsellerlisten geschafft. Schriftsteller Walter Tevis hat seine Hauptfigur Beth nach der US-Schachlegende Bobby Fischer - dem ersten US-Großmeister, der einen Russen bei der Weltmeisterschaft besiegte - modelliert, als eine märchenhaftere und natürlich weibliche Version. Dass er sie nicht gleich nach einer weiblichen Großmeisterin modelliert hat, liegt in der Dynamik des Schachsports. Analog zum Fußball oder anderen Sportarten gibt es auch hier das sogenannte "Frauenschach". Man möchte denken, dass in einer Disziplin, in der eine etwaige körperliche Unterlegenheit von Frauen keine Rolle spielt, so eine Trennung nicht nötig wäre. Die Realität sieht anders aus. Der Weltschachbund gründete die Frauenweltmeisterschaft bereits 1927, bei modernen Spielerinnen ist das Turnier nicht mehr besonders beliebt. Die aktuelle Nummer eins der Weltrangliste, die Chinesin Hou Yifan, trat nie mehr an, um ihren Titel von 2016 zu verteidigen. Die beste Frau in der Schachgeschichte, Judit Polgar, hatte überhaupt nie das Bedürfnis, an dieser Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Wissenschaftliche Studien beschäftigen sich mit der Frage, warum Frauen schlechter im Schach sind, und andere wissenschaftliche Studien damit, warum das nicht stimmt. So soll das Vorurteil, dass Frauen anders denken als Männer und daher schlechter Schach spielen, als selbsterfüllende Prophezeiung dazu führen, dass sie wirklich schlechter spielen. Eine große Studie hat dies kürzlich widerlegt, sie zeigte, dass Schachspielerinnen gegen gleich starke Männer (das jeweilige Niveau wird über die sogenannte ELO-Zahl definiert) öfter als gegen gleich starke Frauen gewannen - die Leistung wurde also sogar angekurbelt, wenn ein Mann der Gegner war.

Allerdings dürfte wohl auch ein anderer Faktor mitspielen, wenn es um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Schach geht: Es spielen nun einmal sehr viel mehr Männer profimäßig Schach als Frauen. Um das zu ändern, wurde 2016 die "erste Konferenz zur Gleichstellung der Frauen im Schach" in Spanien abgehalten. Dass noch nicht mehr Frauen Turnierschach spielen, wurde auf das männliche Image des Spiels, auf die unterschiedliche Erziehung und auf den in Vereinen und bei Turnieren angeblich verbreiteten Chauvinismus zurückgeführt. Sieht man sich auf YouTube das Video an, in dem Viktor Korchnoi nicht gerade souverän reagiert, als er von Sofia Polgar besiegt wird, ist man geneigt, der Schilderung Glauben zu schenken.



Außerdem wurde konstatiert, dass es mehr Vereine brauche, die von Frauen geführt werden.

Es geht ums Geld

Dass die Geschlechterteilung auch schnöde wirtschaftliche Gründe hat, hat eine Analyse der "Frankfurter Allgemeinen" einmal erklärt: Je mehr Turniere es gibt, desto mehr Gebühren kann der Weltverband einstreichen - der somit wenig Interesse daran hat, das zu ändern.

Aber vielleicht hilft ja auch die Serie "Das Damengambit". Das erhofft sich Schachspielerin Irina Berezina. Sie entdeckte ihr Spieltalent - damals in der Sowjetunion - noch früher als die Serienhauptfigur, nämlich schon mit vier Jahren. Auch sie kann, wie Beth Harmon, gleichzeitig mehrere Partien spielen - und gewinnen. Sie hofft, dass die Serie eine ganze Generation neue Spielerinnen auf den Plan bringt. "Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, Frauenschach voranzubringen. Diese Sendung hat schon jetzt enorm viel erreicht." Auf chess.com haben sich zuletzt jedenfalls mehr Frauen als Männer registriert.