Was ist männlich? Eine schier nicht zu beantwortende Frage. Mittlerweile ist man auch dazu übergegangen zu sagen, dass die Unterschiede innerhalb der Geschlechter größer sind als zwischen den Geschlechtern. Und dennoch oder gerade deswegen will China nun die Unmännlichkeit in der Gesellschaft zurückdrängen. Eine Tatsache, die nur Kritiker der Trans-, Divers- oder Androgyn-Diskussionen erfreuen kann, dem Rest der Welt aber durchaus Sorgen bereiten sollte.

Wann ist ein Mann ein Mann?

Es war natürlich aufgelegt, diese Grönemeyer-Textzeile zu zitieren, zeigt sie doch auch auf, wie lange dieses Thema in der Unterhaltungsbranche schon vorkommt. Und dabei muss man noch viel weiter zurück - bis hin zu den Kastraten und darüber hinaus. Chinas Führung scheint jedoch unbeeindruckt von den menschlichen Realitäten und erklärte, dass von nun an ein Ende zu sein habe mit der Verweiblichung der Männer. Egal, ob Musik, Fernsehen oder Videospiel, der Mann muss als Mann erkennbar sein. Interessant ist dabei, dass in China derzeit eine neue große Welle an Schönheitsoperationen an Männern zu beobachten ist. Doch auch daran wurde nun gedacht und China sagt auch der Werbung für boomende Schönheitsoperationen den Kampf an. Es sei zwingend nötig und dringend, die Anzeigen auf Postern und Bahnhöfen, in Fernsehsendungen oder Sozialen Medien zu regulieren, da sie überhand nähmen und einige falsche Behauptungen aufstellten, schrieb die regierungsnahe Zeitung "People’s Daily" in einem am Dienstag auf ihrer Internetseite veröffentlichten Kommentar. Es scheint, als käme jeden Tag eine neue Branche hinzu, die es nun zu regulieren und kontrollieren gilt.

Das Hauptaugenmerk gilt aber naturgemäß jenen Bereichen, in denen die Freiheiten bisher am größten und die Abweichungen von der nun gültigen Meinung am weitesten gediehen sind: die populäre Unterhaltungskultur. Zunächst kamen Fernsehsendungen und das Musikgeschäft, vor allem die beliebten koreanischen K-Pop-Stars und Blogger - massiv unter Druck - "Sendeanstalten dürfen keine Formate mit der Schaffung mutmaßlicher Heldenfiguren sowie keine Varieté- und Realityshows zeigen", erklärte die staatliche Regulierungsbehörde. Sie wies die Sender an, sich gegen "abnormale Ästhetik" wie "verweichlichte" Männer sowie gegen "vulgäre Influencer" und "verkommene Moral" von Künstlern zu wehren. Nun folgen die Videospiele. Dieser Bereich ist in manchen Genres im asiatischen Raum generell von androgynen Hauptcharakteren geprägt, was auch einen großen Reiz der Spiele ausmacht.

E-Sport ist kein Sport

Wie nun der männliche Mann in China auszusehen hat, darauf gibt es noch keine Antwort. Anders als bei Frauen, die im Patriarchat aufwachsen und dies aus eigener leidvoller Erfahrung sagen können, gibt es (noch) keine 90--60-90-Maßvorgaben. Leider scheint es so zu sein, dass nicht diese sinnlosen und gefährlichen Schönheitsideale generell über Bord geworfen, sondern nun auch Männer erfasst werden. Es wurde lediglich die Parole ausgegeben, dass eine "Feminisierung" der männlichen Jugend, die "das Überleben und die Entwicklung der chinesischen Nation" bedrohe, durch Sport zu erreichen sei. Die Regierung kündigt eine umfassende Bildungsoffensive an, laut der der Sportunterricht an Schulen und Universitäten massiv an Bedeutung gewinnen soll. Immerhin eine Entscheidung, die weltweit heftig diskutiert wird, ist in China allem Anschein nach gefallen - E-Sport ist kein Sport. Denn die neuen Richtlinien fordern nicht nur männlichere Videospielhelden, sondern erlauben Spielern unter 18 Jahren nur noch drei Stunden Onlinespiele pro Woche, an Freitagen, Samstagen, und Sonntagen. Um dies zu erreichen, müssen chinesische Spieler wohl ihren echten Namen verwenden, um Nutzerknten anzulegen. Spielehersteller, welche dieses System nicht verwenden, sollen mit Strafen rechnen müssen. Damit scheint auch Chinas E-Sport-Szene zum Erliegen zu kommen. Kürzlich hatte ein Staatsmedium Videospiele als "spirituelles Opium" bezeichnet. Daher sollen auch bis auf weiteres keine neuen Onlinespiele mehr zugelassen werden, was massiven Schaden für die Branche bedeutet.

China gleitet nunmehr in eine völlige Überwachung und Kontrolle ab. Die vorgeschobene Verteilungsdebatte, die weltweit geführt werden müsste, dient nun lediglich als Basis für weitere Repressalien.