Österreich entfernt sich weiter von der Gruppe der Staaten mit völlig freier Presse. In dem am Dienstag veröffentlichen Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) liegt Österreich nur noch auf Platz 31 von 180 Ländern, und damit im Mittelfeld der Staaten mit einer "zufriedenstellenden" Pressefreiheit. Aus der Spitzengruppe war Österreich nach der Ibiza-Affäre im Jahr 2019 gefallen, im Vorjahr belegte es noch den 17. Platz.

"Schluss mit Ausreden - diesen Absturz kann man nicht mehr schönreden", kommentierte RSF Österreich das Ergebnis. Als Gründe für die massive Verschlechterung wurden neben Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten bei Coronademos auch "Schikanen seitens der Polizei, bezahlte Umfragen in Boulevardmedien und eine Politik, die durch Korruption und Bestechung geprägt ist" genannt.

Die vom Wiener Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell geleitete Österreich-Sektion beklagte, dass Österreich heute das einzige EU-Land ohne Informationsfreiheitsgesetz sei und auch "der Ruf nach einem sinnvollen Medienfreiheitsgesetz, bei dem Qualität statt Boulevard (Auflage) gefördert werden, (...) bisher ungehört" geblieben sei. Auch "die ständige parteipolitische Einflussnahme auf den ORF muss dringend ein Ende haben".

Nur in acht Staaten volle Pressefreiheit

Wie die in Paris ansässige Medienfreiheitsorganisation mitteilte, sind die heurigen Werte wegen einer geänderten Erhebungsmethode nur bedingt mit jenen des Vorjahres vergleichbar. Für den alljährlich zum Internationalen Tag der Pressefreiheit publizierten Index befragt RSF Experten aus aller Welt. Heuer wurde die Erhebung auf eine breitere Basis gestellt. Um die Pressefreiheit umfassend abzubilden, wurden fünf neue Indikatoren herangezogen: Politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftlicher Kontext, soziokultureller Kontext und Sicherheit.

Dies hat zur Folge, dass nur noch acht Staaten eine gute Situation der Pressefreiheit attestiert wird, nachdem es im Jahr 2021 noch zwölf gewesen waren. Das Maß aller Dinge sind weiterhin die skandinavischen Länder. Norwegen, Dänemark und Schweden bilden das Spitzentrio. Auf die vierte Stelle emporgeschoben hat sich die Ex-Sowjetrepublik Estland (2021: 15). Es folgen Finnland, Irland, Portugal sowie Costa Rica als einziges nicht-europäisches Land in der Spitzengruppe.

Tschechien liegt besser als Österreich

Während Deutschland vom 13. auf den 16. Platz zurückfiel, wurde Österreich von einer Reihe anderer EU-Staaten überholt. Dazu zählen nicht nur Frankreich (26.) und Luxemburg (21.), sondern auch die Nachbarländer Tschechien (20.) und Slowakei (27.). Auch die beiden anderen baltischen Staaten Litauen (9.) und Lettland (22.) liegen erstmals vor der Alpenrepublik. Bestplatzierter österreichischer Nachbarstaat ist Liechtenstein (10.)

In der Nachbarschaft liegen somit nur noch das traditionelle Pressefreiheit-Sorgenkind Ungarn (85.), Slowenien (54.) und Italien (58.) hinter Österreich. Während sich Ungarn leicht verbessern konnte, rutschten die beiden südlichen Nachbarländer noch deutlicher ab als Österreich, das im Index zwischen der Dominikanischen Republik und Spanien liegt.

"Sehr ernste Lage" in 28 Ländern

Insgesamt zeigt die 20. Ausgabe des RSF-Index ein Besorgnis erregendes Bild. So befindet sich die Pressefreiheit in einer Rekordzahl von 28 Ländern derzeit in einer "sehr ernsten Lage". Insgesamt zwölf Länder seien auf die rote Liste gerutscht, darunter Belarus (153) und Russland (155). Die Schlusslichter bilden Nordkorea, Eritrea, Iran, Turkmenistan, Myanmar und China. Trotz der Abwahl des Rechtspopulisten Donald Trump nur marginal verbessert hat sich die Lage in den USA (42. Platz). Dort seien die Medien nämlich weiterhin polarisiert, hieß es.

In demokratischen Gesellschaften wachse die Spaltung durch die Verbreitung von Meinungsmedien und von Desinformation, konstatiert die Medienfreiheitsorganisation. International gebe es eine Asymmetrie zwischen offenen Gesellschaften und despotischen Regimen, die mit ihren Medien und Online-Plattformen Propagandakriege gegen Demokratie führen.

Anfeindungen und Morde

In Europa seien drei Trends zu bemerken gewesen, und zwar die Rückkehr von Journalistenmorden in der EU (Giorgios Karaivaz in Griechenland und Peter De Vries in den Niederlanden), die massiven Anfeindungen und tätlichen Angriffe von Coronamaßnahmengegnern gegenüber Journalisten in mehreren Staaten (darunter Österreich) sowie die Verschärfung von drakonischen Gesetzen gegenüber Journalisten. Davon betroffen gewesen seien neben Ungarn und Slowenien auch Polen (66.) und Albanien (103.). Serbien (79.) konnte sich hingegen dank der Bekämpfung von Straflosigkeit bei Angriffen auf Journalisten verbessern, auch Tschechien (20.) und Bulgarien (91.) lockerten nach Regierungswechseln ihren Einfluss auf die Presse. Bulgarien konnte so die rote Laterne unter den europäischen Staaten an Griechenland (108.) abgeben.

"Ohne freie Presse funktioniert die Demokratie nicht", resümierte Puls-4-Infochefin Milborn das globale Ranking. Dieses zeige nämlich, dass gut funktionierende Demokratien auch bei der Pressefreiheit an der Spitze stünden. Sie hob diesbezüglich neben den baltischen Staaten etwa auch junge Staaten wie Osttimor hervor, wo die freie Presse an der Demokratisierung mitwirke.

(apa/vos/mp)