Neue Gebäude bieten immer Chancen, auch neue Strukturen aufzuziehen und Änderungen sowie Modernisierungen durchzuführen, die sich schon länger aufgestaut haben. Im Falle des ORF steht eine besonders umfangreiche Baumaßnahme nun vor dem Bezug: Mitte Juni soll der Neue ORF-Newsroom für rund 400 Mitarbeiter im Betrieb gehen. 303 Millionen Euro kostete das neue Gebäude, dessen Herz der neue Newsdesk werden soll, in dem zentral für mehrere Sendungen Nachrichten und Beiträge produziert werden sollen. Und das erstmals trimedial an einem Ort, also für Fernsehen, Radio und Internet zusammen. Radio und Online zogen bereits bzw. ziehen noch von ihren bisher auf Wien verstreuten Bleiben auf den Küniglberg.

Von einer erwarteten größeren Strukturreform im Nachrichtenbereich hat man aber offenbar mittlerweile Abstand genommen, wie die "Wiener Zeitung" aus dem Haus erfuhr. Der Newsroom wird in der alten Struktur bezogen und zumindest vorerst auch mit denselben Vorgesetzten weiterarbeiten. Lediglich die aktuellen Ressorts wie Innenpolitik, Ausland und Europa oder Chronik werden trimedial zusammengelegt und deren Leitungen neu ausgeschrieben. Das bedeutet freilich nicht, dass dann auch neue Führungskräfte bestellt werden. Zumindest in den meisten Fällen dürften die neuen Ressortleiter bereits jetzt das Ressort in einem der zu fusionierenden Bereiche geleitet haben.

Chefs bleiben im Amt

An an der Spitze bleibt jedenfalls alles, wie es ist: Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter, TV-Chefredakteur Matthias Schrom-Kux und orf.at-Chefredakteur Christian Staudinger werden ihre Funktion weiterhin ausüben. Die drei Chefredakteure sollen künftig gleichberechtigt agieren und sich als Gremium eine Geschäftsordnung geben. Auch auf der Stellvertreter-Ebene dürfte es keine Überraschungen geben, so bleibt "ZiB2"-Anchor Armin Wolf neben Eva Karabeg stellvertretender Chefredakteur.

Für die Fachressorts, die künftig multimedial geführt werden, werden bekannte Namen genannt: Hans Bürger für Inland, Barbara Battisti für die Wirtschaft und für die Chronik Claudia Lahnsteiner. Die vereinigte Außenpolitik könnte Radio-Mann Hartmut Fiedler führen. Ebenso multimedial agiert künftig ein Newsdesk, bei dem etwa "Verification", "Aktuelle News" und "Social Media" angesiedelt sein werden. Er beliefert etwa die multimedialen Fachressorts und die Sendungs- und Plattformteams.

Der Newsroom wurde 2014 geplant, vor drei Jahren wurde mit dem Bau begonnen. Die insgesamt 411 vorgesehenen Mitarbeiter (337 in den diversen Redaktionen, 15 in einer aktuellen Grafik-Mannschaft, 49 in der Technik und zehn in der multimedialen Programmwirtschaft) werden sich auf 3.500 Quadratmeter Nettoraumfläche einfinden. Diese Planungen sind allerdings alle Vor-Corona-Stand. Wie man die großzügigen Gemeinschaftsflächen künftig Corona-sicher betreiben will, ist fraglich. Zudem wird der ORF auch weiterhin Teil-Homeoffice anbieten müssen, um dem mittlerweile durch den Zuzug auftretenden Platzmangel entgegenzuwirken.

Die ausbleibenden Änderungen in der Leitungsebene finden nicht alle Mitarbeiter gut. Von dem von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann ausgegebenen Streben nach mehr Diversität und weiblichen Führungskräften ist nichts zu sehen. Das kritisiert auch das Frauennetzwerk Medien und fordert einen höheren Frauenanteil bei Spitzenpositionen. Die 45-Prozent-Quote sei nicht erfüllt. Zudem kritisiert das Netzwerk, dass die Chefredaktion aus drei Männern besteht.