Donnerstag wurde ORF-Generaldirektor Roland Weißmann im Bundeskanzleramt erwartet. Nicht zum ersten Mal, dem Vernehmen nach, und sicher nicht zum letzten Mal. Denn auf der Tagesordnung bei dem Termin mit Medienministerin Susanne Raab steht nichts weniger als ein neues Finanzierungsmodell für den ORF. Daher richtet man sich in der ORF-Führung auf mehrwöchige Verhandlungen mit der Regierungskoalition ein.
Mit kosmetischen Eingriffen ist es diesmal wohl nicht getan, hat doch das Höchstgericht der Regierung eine Frist gegeben. Die sogenannte "Streaming-Lücke", also der Entfall der ORF-Gebührenpflicht, wenn man den Fernseher lediglich zum Online-Streaming nützt, sei nicht verfassungskonform, beschied der Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis. Bis Ende 2023 läuft nun eine Frist, in der der Gesetzgeber die Regelung zu reparieren hat. Das lässt mehrere Möglichkeiten offen: Macht man Streaming gebührenpflichtig, kommt das de facto einer sogenannten Haushaltsabgabe gleich, da es kaum Haushalte gibt, die weder Fernseher noch Monitor mit Internetzugang haben. Bei der Haushaltsabgabe zahlt jeder Haushalt die Gebühr, unabhängig von der technischen Ausstattung. Da dann hunderttausende Haushalte mehr erfasst sind, könnte die Gebühr für alle günstiger werden.
Möglich ist auch, die Gebühren ganz abzuschaffen und den ORF künftig aus dem Bundesbudget zu bezahlen. Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger ließ jüngst mit so einem Vorschlag, der sonst eher von der FPÖ kam, aufhorchen. Der Betrag solle aber wertgesichert und im Verfassungsrang stehen, um zu verhindern, dass künftige Regierungen ihn zur Erpressung des ORF für mehr Willfährigkeit ausnützen. Der ORF war immer dagegen, man fürchtet jährliche Budgetverhandlungen gepaart mit langen Wunschlisten der Politik. Zudem muss man dabei wohl die Länder mitfinanzieren, die teils beträchtliche Aufschläge auf die ORF-Gebühr verrechnen, etwa um Kulturagenden zu finanzieren. Daher ist die Gebührenhöhe auch vom Bundesland der Zahler abhängig: derzeit monatlich zwischen 22,45 Euro in Vorarlberg und Oberösterreich und 28,65 Euro in der Steiermark.
Forderung nach "ORF-Rabatt"
Mit Hinsicht auf die Frist des Höchstgerichts warnte ORF-Chef Roland Weißmann, dass "die Zeit drängt". Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) richtete dem ORF hingegen zuletzt aus, dass vor einer Diskussion darüber der ORF erst einmal sparen möge. Sie sprach dabei wörtlich von einem "ORF-Rabatt". "Effizient zu arbeiten, ist eine Selbstverständlichkeit für uns", replizierte Weißmann nun und pochte auf eine zeitnahe Lösung, die eine nachhaltige Finanzierung sicherstelle.
"Der ORF unter meiner Führung arbeitet täglich an einem optimalen Preisleistungsverhältnis für die Gebührenzahlerinnen und -zahler", so Weißmann. Er verwies auf das im Rahmen der GIS-Gebühr eingehobene Programmentgelt für den ORF, das in den vergangenen zehn Jahren um rund 15 Prozent gestiegen sei, während die Inflation um 25 Prozent nach oben geschnellt sei. "Alleine deshalb war eine Effizienzsteigerung notwendig", sagte er. Zudem habe der ORF in der vergangenen Dekade zwölf Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut und kumuliert 450 Millionen Euro in den Programmkosten eingespart. Auch der Lohnabschluss fiel im Vorjahr mit 2,1 Prozent Gehaltsplus für das laufende Jahr angesichts der Teuerung äußerst moderat aus.
"Effizienzanstrengungen wird es trotzdem weiter geben müssen. Aber um effizient arbeiten zu können, braucht es auch eine Digitalnovelle", so Weißmann. Denn man wolle der ORF für alle sein und daher auch alle Zielgruppen erreichen. "Dafür ist es wichtig, ein umfassendes Programmportfolio anzubieten. Wir brauchen mehr Bewegungsfreiheit im digitalen Raum, um weiter die rot-weiß-rote Plattform für Österreich zu sein", meinte der ORF-Chef.
Die von Medienministerin Susanne Raab erhobene Forderung, dass der ORF sparen möge, bevor über seine künftige Finanzierung diskutiert werde, sorgte für Kritik. "Das ist eine Grenzüberschreitung der Medienministerin", so der Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer. Für Sparmaßnahmen seien die ORF-Geschäftsführung und der Stiftungsrat zuständig. Auch bei den Grünen reagierte man verschnupft. "Der ORF ist kein Sparverein. Er hat einen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag", sagte der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Lothar Lockl. Kommt es zu keiner Einigung, steht dem ORF ab 2024 "einer der größten Finanzierungskrisen in seiner Geschichte" bevor. Die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags sei nicht mehr garantiert, warnte Weißmann.