Kritik ist subjektiv. Jeder Satz einer Kritik beginnt mit einem ungeschriebenen Ich. Und die Objektivität? Versuchen wirs: "Am Freitag hatte im Burgtheater William Shakespeares ,Macbeth Premiere. Die Vorstellung begann um 19.31 Uhr und endete um 22.07 Uhr. Der Macbeth trug eine schwarze Uniform" usw. Dann lieber subjektiv, nicht wahr? Und zwar in aller Deutlichkeit des Für und Wider. Nur begründet muss das Urteil sein, denn die Begründung steckt die Koordinaten ab, an denen sich der Leser orientiert. Kritiker aber, die ungern urteilen und sich lieber hinter angelesenen Fachausdrücken verstecken, als ihrer Meinung klar und präzise Ausdruck zu verleihen, haben ihren Beruf verfehlt. Edwin Baumgartner
Als ich für die "Wiener Zeitung" zu schreiben begann, galt die Theaterkritik als Königsdisziplin des Print-Feuilletons, die Redaktionen waren durchwegs männlich besetzt. 20 Jahre und aberhunderte Kritiken später, nach ungezählten Abenden und Nächten in hiesigen und weiter entfernten Theaterhäusern, befindet sich die Medienlandlandschaft, wie allgemein bekannt, im Umbruch. Das Theater bleibt davon nicht verschont. Der drohenden Marginalisierung zum Trotz: Das Bewerten, Beurteilen, Einordnen von Theatererlebnissen bleibt für mich oberstes Prinzip. Wir alle sollten teilhaben können am Spaß und am Glamour auf offener Bühne, ebenso wie an den Zweifeln und am Disput, wie das Theater der Zukunft sein wird. Die Kulturkritik hält diese Debatte am Laufen. Petra Paterno
Als Filmkritiker hat man nicht nur die Aufgabe, neue Filme zu kritisieren, sondern sie auch einzuordnen im Weltkino; gerade im Umbruch des narrativen Films von einem Medium, das früher die Konzentration eines Kinosaals erforderte und heute auf dem Bildschirm eines Handys konsumiert werden kann. Nicht jedes Publikum mag jedes Genre, man beurteilt die Filme also schon auch danach, für wen sie gedacht sind. Und: Eine Verantwortung gibt es auch noch in diesem Beruf: Nämlich gegenüber den 100 bis 200 Menschen, die zwei, drei Jahre an einem Film gearbeitet haben. Ihre Arbeit mit wenigen Worten auf ein Podest heben oder vernichten zu können, ist nicht nichts. Matthias Greuling
Kritik hat bei Nicht-Ballettlern immer den Beigeschmack des Negativen. Mitnichten! Tänzerinnen und Tänzer brauchen im Training und bei Proben Kritik, um ihre Technik zu verfeinern, um ihre Rollen auszuarbeiten, um über sich hinauszugehen. Respektvolle Kritik freilich. Gleichwohl kann man sich als Kritikerin nicht anmaßen, einem Choreografen zu sagen, was er besser machen sollte - wie eben der Trainingsleiter. Aber selbst in der konfusesten Inszenierung gibt es Positives zu finden. Aber das Wesentliche ist, dass man Performances als Mosaik, als Gesamtkunstwerk sehen sollte, und man als Kritikerin dennoch auf die Details achtet. Denn im Detail liegt das Niveau einer Kompagnie. Verena Franke
Kritisch berichterstatten, aber die Musiker nicht verletzen; pfiffig formulieren, doch ernsthaft argumentieren; für Laien schreiben, aber Experten nicht unterfordern; ehrlich bleiben, auch wenn heilige Kühe an der Oper singen. Subjektive Wertungen abgeben, aber nachvollziehbar aufdröseln. Künstlern ein anstachelndes Vis-à-vis sein, Lesern ein launiger Animateur, der Zeitung ein fixer Textlieferant. Das alles ist, ehrlich gesagt: unmöglich. Aber genau darin besteht der Anforderungskatalog an einen Musikkritiker, und er tut gut daran, ihn zu beherzigen. Auch wenn das bedeutet, eigentlich immer in einer Hinsicht zu scheitern. Man tut es dafür ehrenhaft. Und im besten Fall glimpflich. Christoph Irrgeher