Am Anfang das Positive: Ja, es gibt Menschen, die haben ziemlich kreative Ideen. Dazu kommt noch, wie einfach es sein kann, anderen ein Lächeln zu entlocken. Und zudem ist es grundsätzlich positiv, wenn möglichst viele mit Künstlicher Intelligenz spielen und sich daran ausprobieren. Womit wir nun schon beim Negativen wären: Unglaublich, auf welchen Blödsinn die Leute kommen, und noch schlimmer, dass andere es dann auch glauben. Wahnsinn, wie viele von Künstlicher Intelligenz erstellte Bilder im Netz herumschwirren, wie viel unlauteres Geschäft damit gemacht wird und wie leicht der Mensch als manipulatives und manipulierbares Wesen der Macht der Bilder erliegt.

Niemand entkommt der KI

So stellt sich KI die Simpsons als echte Personen vor. 
- © Marc Burrows

So stellt sich KI die Simpsons als echte Personen vor.

- © Marc Burrows

Der Papst in Designerjacke, Donald Trump verhaftet, Joe Biden vor Gericht, Kim Jong-un am Badestrand, Wladimir Putin auf den Knien vor Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping oder die Reichen der Reichen im Slum (siehe Bilder). Und wer glaubt, es geht nicht noch mehr - sämtliche Charaktere aus "Harry Potter" als Laufstegmodells oder die "Simpsons" als echte Menschen. Die Liste ist unendlich lang und wächst jeden Tag um tausende Bilder weiter an. KI-Bildsynthesedienste sind oft einfach zu handhaben: Man gibt einen Text ein, und eine Software generiert daraus ein künstliches Foto.

Der tiefe Fall der Reichen. Eine neue Serie von KI-Bildern sorgt derzeit für Aufsehen. Dabei werden Donald Trump . . . - © Midjourney / Gokul Pillai
Der tiefe Fall der Reichen. Eine neue Serie von KI-Bildern sorgt derzeit für Aufsehen. Dabei werden Donald Trump . . . - © Midjourney / Gokul Pillai

Der Spaß endet derzeit noch bei pornografischen Bildern, allerdings soll es bereits entsprechende Programme geben, die auf jegliche Schranke der Moral und des guten Geschmacks verzichten. Was dies dann für die Welt und das nicht nur digital bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Neben den gefälschten Bildern lassen sich auch täuschend echte, aber künstlich erzeugte Videos oder Tonaufnahmen erstellen. Das ist grundsätzlich nicht neu, aber zum einen muten die falschen Inhalte immer realistischer an. Zum anderen reicht oft eine App auf dem Smartphone, wo früher noch ein Hochleistungsrechner benötigt wurde.

. . . Facebook-Gründer Mark Zuckerberg . . . - © Midjourney / Gokul Pillai
. . . Facebook-Gründer Mark Zuckerberg . . . - © Midjourney / Gokul Pillai

Seit einigen Tagen grassiert zum Beispiel eine vermeintliche Aufnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange im Internet. Sie zeigt den in Großbritannien inhaftierten Aktivisten mit geschwollenem Gesicht und geschlossenen Augen. Er sitzt in einem gekachelten Raum, wirkt erschöpft und trägt eine Art Lätzchen, auf dem die Flecken von Essensresten zu sehen sind. Die Reaktionen auf das Foto waren schnell und heftig. Viele User, darunter auch Journalisten und Politiker, drückten ihre Bestürzung darüber aus, dass Assange "unter derartigen Bedingungen" festgehalten werde. Einzelne Tweets wurden von mehr als 4,5 Millionen Nutzern angesehen und auch von der russischen Botschaft in Kenia geteilt.

. . . und der neue Twitter-Chef Elon Musk als Bewohner eines Slums dargestellt. - © Midjourney / Gokul Pillai
. . . und der neue Twitter-Chef Elon Musk als Bewohner eines Slums dargestellt. - © Midjourney / Gokul Pillai

Dieses Foto zeigt, wie sehr Künstliche Intelligenz mittlerweile in der Lage ist, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und politische Botschaften zu senden. Experten erwarten sich daher auch einen massiven Anstieg entsprechender Bilder rund um Wahlkämpfe. Wenn man sich überlegt, welche Auswirkungen die Meldungen auf Telegram bei der Erstürmung des Capitols in Washington hatten, könnte einem beim Gedanken an mächtige KI-Werkzeuge angst und bang werden.

Und schon jetzt ist es zu einem Wettlauf der großen Online-Giganten ausgeartet, dessen Sieger noch in den Sternen steht, der aber definitiv einer Regulierung und Kontrolle bedarf. Wie schmal der Grat in der IT-Industrie selbst gerade ist, zeigt sich bei Elon Musk. Der Twitter-Chef treibt Medienberichten zufolge bei dem Unternehmen die Entwicklung von Anwendungen Künstlicher Intelligenz voran. Musk habe tausende hochwertige Computerchips gekauft, KI-Experten angestellt und wolle einen Konkurrenten zum erfolgreichen Chatbot ChatGPT entwickeln, heißt es. Dabei hat Musk erst Ende März einen gemeinsamen Brief einer Gruppe von Experten unterzeichnet, in dem eine Pause bei der Entwicklung von besonders fortgeschrittener Künstlicher Intelligenz gefordert wurde. Das KI-Projekt bei Twitter soll Berichten zufolge auf die automatisierte Erstellung schriftlicher Inhalte abzielen. Denkbar sei auch ein Einsatz generativer KI als Such- oder Werbetool, wird gemunkelt. Im Detail sei aber weitgehend unklar, welchen Zweck Musk damit verfolge.

Woran erkennt man KI-Bilder?

Die Frage aller Fragen lautet nun, ob der Mensch diesen Entwicklungen gänzlich ausgeliefert ist. Was kann man tun? Und woran erkennt man die Fälschungen? Ein weiser Ratschlag: Der berühmte Hausverstand ist gefragt. Ist es wirklich realistisch, dass das Ereignis so stattgefunden hat? Da man dem Bild noch mehr traut als dem Text, sind natürlich Medien dafür da, die Einordnungen zu treffen und explizit auf Fälschungen hinzuweisen. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Websites, die es ermöglichen, Bilder und Videos auf ihre Echtheit hin zu untersuchen. Leider aber noch nicht wirklich sehr zuverlässig und definitiv nicht ohne menschliche Qualitätsendkontrolle, was bei der schieren Masse an Bildern kaum zu einer Eindämmung führen kann.

Wer viel in den Sozialen Medien unterwegs ist, weiß, dass auch jetzt schon viel zu viele Falschinformationen geteilt werden. Und eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Umso wichtiger ist daher ein sehr sorgsamer Umgang mit Meldungen. Die Fälschungen lassen sich meist nur bei genauerem Hinsehen als solche erkennen.

Das große Problem der KI ist die menschliche Anatomie - Finger und Schlüsselbeine dürften dem Algorithmus mehr Probleme machen, als man annehmen könnte. Im Falle des Papstes in der Designerjacke passten die Hände nicht zum Alter von Franziskus. In diesen Fällen spricht man von "Artefakten" - also Teilen eines künstlich erzeugten Bildes, die nicht echt aussehen. Oft sind es daher auch Ohren oder Münder, die KI-Fotos als solche enttarnen können. Zudem sind Abzeichen nicht zu generieren, lassen sich allerdings nachträglich mit Bildbearbeitungsprogrammen sehr gut einfügen.

Faktische Korrektheit

Das deutsche KI-Start-up Aleph Alpha mit Sitz in Heidelberg hat laut eigenen Angaben erstmals einen Meilenstein auf dem Weg zu inhaltlich korrekter, erklärbarer und vertrauenswürdiger Künstliche Intelligenz erreicht. Eine nun verfügbare Erweiterung des hauseigenen Sprachmodells Luminous sei in der Lage, Zusammenhänge in Informationen und faktische Korrektheit auf Basis von gesicherten Fakten nachzuvollziehen, heißt es. Gleichzeitig könne das System darstellen, welche Textstellen in einer Quelle die generierte Antwort verursacht hätten oder im Widerspruch dazu stünden.

Sollten sich die Angaben von Aleph Alpha in unabhängigen Tests bestätigen, wäre dies ein wichtiger Schritt, eine systematische Schwäche von Textrobotern wie ChatGPT auszumerzen. Bisher ist nämlich häufig nicht klar, warum der Chatbot eigentlich schreibt, was er schreibt, und falsche Fakten liefert. Das Thema der "erklärbaren KI" ("Explainable AI" oder kurz "XAI") beschäftigt seit geraumer Zeit auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die KI transparenter machen wollen.

Aber zum Ende hin immerhin noch ein positiver Ausblick: Künstliche Intelligenz fordert den Menschen heraus und verlangt nach neuen, besseren und kreativeren Ideen. Es wird nicht mehr die Frage sein, ob es Medienkompetenzschulungen braucht und bessere Ausbildung der Kinder und Menschen, die nicht firm sind mit neuen Technologien, sondern nur, warum man damit nicht bereits vor 15 Jahren begonnen hat. Im Wettlauf zwischen Mensch und KI geht es nämlich um sehr, sehr viel. Um das nämlich, was den Menschen ausmacht - seine Kreativität: wie er Probleme löst, Neues schafft und auch damit umgeht. Scheinbar bedurfte es des großen Durchbruchs der Künstlichen Intelligenz, um zu erkennen, was die Menschen schon seit den Anfängen des Internet-Zeitalters hätten lernen sollen. Es ist also wahrlich nicht alles verloren. Wir werden uns aber anpassen müssen.