"Dieser Roman ist in Teilen inspiriert von verschiedenen realen Ereignissen, er ist jedoch eine hiervon losgelöste und unabhängige fiktionale Geschichte. Daher erhebt der Roman keinen Anspruch, Geschehnisse und Personen und ihre beruflichen und privaten Handlungen authentisch wiederzugeben." Diese Präambel stellt Autor Benjamin Stuckrad-Barre seinem neuen Roman "Noch wach?" voran. Das ist nicht nur juristische Absicherung. Immerhin glaubten sich mächtige Medienmacher kurioserweise schon vor dessen Erscheinen in dem Werk selbst zu erkennen. Es ist auch Programmatik. Alles kann wahr sein, aber nichts davon muss wahr sein. Wissen tun es nur die, die dabei waren.
Stuckrad-Barre hat ein Buch über Machtmissbrauch in der Medienbranche geschrieben. Es kommt in Form von losen Skizzen-Aufzeichnungen daher. Es zeigt Szenen, in denen Männer an der Spitze eines Mediums jungen, hübschen Frauen nachstellen. Es dokumentiert ihre Strategien, ihr Repertoire, ihre sorgsam aufgebauten Fallen. Erst später beginnen sich die Skizzen zu einem Ganzen zu verweben. Es werden Parallelen klar.
Im Laufe der Seiten kommt es zum Showdown dreier Männer. Der Ich-Erzähler, der Besitzer eines Fernsehsenders und dessen Chefredakteur. Benjamin von Stuckrad-Barre selbst? Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner? "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt? Kann sein, muss aber nicht sein - siehe Präambel. In insgesamt 18 Kapiteln mit Überschriften wie "Jetzt wirds schmutzig", "Grauzone" oder "Bezahlte Partnerschaft" nähert er sich dem Kern des Themas von verschiedenen Seiten. Der Buchverlag Kiepenheuer & Witsch hatte angekündigt, es handle sich um ein "Sittengemälde unserer Zeit". Der Roman erzähle von "Machtstrukturen und Machtmissbrauch, Mut und menschlichen Abgründen".
Angesprochen auf Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt, sagte der Autor dem "Spiegel": "Handelt der Roman von ihm persönlich? Ganz gewiss nicht. Ich habe ihn dreimal getroffen in meinem Leben, immer nur zufällig, kein mal freiwillig. Dreimal - und nach allem, was ich so höre, langt das auch. Mein Buch ist Literatur und kein Klatsch. Was über ihn und sein Verhalten bekannt ist, wäre kein Romanthema, wenn es nicht woanders vergleichbar vorkäme." Er interessiere sich "nicht für diesen Typen, sondern für einen bestimmten Typus Mensch."
Auch einen Österreich-Bezug gibt es. Auf den ersten Seiten findet sich der Nachdruck eines Widerrufs von Verleger Wolfgang Fellner. Demnach gibt er zu, einer "K.W." gesagt zu haben, dass er sie liebe und ihr gerne ihr Kleid aufzippen wolle.