Es gab eine Zeit, da konnte man im Spätprogramm des ORF noch erstaunliche Juwelen entdecken. Zum Beispiel Anfang der 90er, als die legendäre Reihe "Kunststücke" einen besonders exzentrischen Neuzugang verzeichnete: "Dame Edna Megastar" hieß die Sendung, in ihrem Mittelpunkt stand eine Frau mit mauve-rosa Haaren und glitzernder Brille.
Nun, es war nicht wirklich eine Frau, sondern in dem Kostüm steckte der australische Komiker Barry Humphries. Edna lud Gäste zu einer Talkshow, die sie dann mit höflichem Lächeln und geschliffenen Gemeinheiten zerlegte. Ungeachtet der Berühmtheitsklasse, immer so, als würde ihr die entlarvenden Unverschämtheiten gerade so herausrutschen, und immer mit diesem verschwörerischen Lächeln ins Publikum. Durch die strassbesetzte Brille. Vorher bekam jeder ein Namensschild, für das ihre Brautjungfer Madge zuständig war, eine dröge Person, der Edna gnädigerweise diesen glamourösen Job verschafft hat. Meistens ging sich der ganze Name nicht aus auf dem Namensschild ("Madge, the Badge"), das dem Gast dann forsch auf die Brust gepickt wurde. Das Publikum wurde von Edna übrigens immer als "possums", also Beutelratten bezeichnet. Eine frühe Vorwegnahme von Lady Gagas einigender Betitelung ihrer Fan-Community als "Monster": Als Beutelratte konnte man sich immer ein bisschen extravaganter und auch ein bisschen gescheiter fühlen.
Waldheims Abgang
In einer ihrer Shows kündigte sie auch den damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim an. In Anbetracht seiner nicht unumstrittenen Vergangenheit eine gewagte Gesprächsunternehmung, zumal in einer Comedy-Show. Es kam ohnehin nicht dazu, denn nach pompöser Auftrittsmusik plumpste der Mann, der Waldheim ähnlich sah, durch eine Falltür von der Bühne. "Ach, ich habe es mir doch anders überlegt", sagte Dame Edna. "Glücklicherweise haben wir hier so Vorrichtungen, die verhindern, dass uns Gäste enttäuschen." Ungeahnte Anarchie im Fernsehen der 1990er.
Erfunden hat Humphries die Figur als Pausenfüller früh in seiner Karriere. 1955 war Edna nur eine Hausfrau, den beißenden Humor hatte sie freilich schon damals. Erst später wurde die Persona zu "Housewife and Superstar". Dass sie Humphries ihr Leben verdanke, hat sie zeitlebens vehement dementiert, in Interviews hatte sie kein gutes Wort für ihn übrig.
Am Samstag starb Humphries im Alter von 89 Jahren. Provokation war sein und Dame Ednas wichtigstes Stilmittel. Vielleicht sollte man auch seine wenig "woken" Äußerungen über Transgender - er hatte im Nachhinein betont, missverstanden worden zu sein -, die ihn Sympathien und den Namen eines nach ihm benannten Preises gekostet haben, in diesem Zusammenhang sehen. Für Drag hat er - ohne in dem Sinn eine Drag Queen gewesen zu sein - viel getan: Immerhin brachte er die Kunstform in Wohnzimmer, die damit sonst nie in Berührung gekommen wären und erzeugte damit Normalität. Möglicherweise sollten sich viel mehr einfach zu Herzen nehmen, was Edna einst einem britischen Politiker gesagt hat: "Schätzchen, wenn Sie nicht über sich selbst lachen können, dann verpassen Sie den Witz des Jahrhunderts."