Die Regierung hat sich am Mittwoch auf die neue ORF-Finanzierung und eine ORF-Digitalnovelle geeinigt und das entsprechende Gesetz in Begutachtung geschickt. Wie bereits angekündigt, gibt es mit dem "ORF-Beitrag" ab 2024 eine Haushaltsabgabe von 15,30 Euro pro Monat für jeden Hauptwohnsitz-Haushalt und jedes Unternehmen anstatt der gegenwärtigen gerätegekoppelten GIS-Gebühr. Für Unternehmen kommt eine Staffelung. Für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern sei ein ORF-Beitrag fällig, bei 100 Mitarbeitern zwei.
Für den ORF bringt es neue Freiheiten im Online-Bereich, aber auch neue Werbebeschränkungen, die die Werbeeinnahmen um etwa 25 bis 30 Millionen sinken lassen wird. Aber diese Rückgänge werden dem ORF vom Bund ersetzt. Der ORF darf künftig sowohl online-only als auch online-first produzieren, weiters wird es auf ORF.at künftig 70 Prozent Bewegtbild und 30 Prozent Text geben, wobei die Textbeitragszahl pro Woche auf 350 beschränkt wird. Die Sieben-Tage-Beschränkung in der TVthek fällt.
Von den privaten Medien kam heftige Kritik zu dem Entwurf. Von einer "medienpolitischen Fehlentwicklung" sprach etwa der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in einer ersten Reaktion auf die Einigung der Regierung. "Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen - insbesondere als Marktführer im Digitalbereich - droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt", warnte VÖZ-Präsident Markus Mair (Styria). Es gelte, für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen und die Medienvielfalt im Auge zu behalten. Der VÖZ fordert weitere Gespräche und werde sich hier nach Kräften gegen eine weitere Wettbewerbsverzerrung einsetzen. "Aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage steht die Medienvielfalt in Österreich auf dem Spiel", mahnte Mair.
Unzufrieden zeigte man sich auch beim Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Das Gesetzespaket stärke nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF, wurde in einer Aussendung kritisiert. Dieser solle nicht nur weitreichende Online-Freiheiten erhalten, auch sein Budget werde deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet werde. Dass dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten aller privaten Medien in Österreich signifikant beschränkt würden und die Lebensgrundlage privater Radio- und TV-Sender noch stärker unter Druck gerate, nehme die Regierung offenbar in Kauf. "Der ORF ist bereits mit Abstand der größte Medienanbieter Österreichs, nicht nur im Rundfunk, sondern auch im Online-Bereich. Die geplante Stärkung seiner Dominanz schadet der Medienvielfalt in Österreich, vor allem mit Blick in die Zukunft", so VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm.
Der ORF begrüßt die Neuregelung seiner Finanzierung und die Digital-Novelle. "Mit der Entscheidung für einen ORF-Beitrag ist eine wesentliche Grundlage für eine zukunftssichere Weiterentwicklung des ORF geschaffen", erklärte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Die Finanzierung des ORF und seine Unabhängigkeit seien "nachhaltig abgesichert". Die Digitalnovelle bezeichnete Weißmann als "Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern", damit könnten nun "die Angebote in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden".
"Geht in die falsche Richtung"
Auch von Experten kommt Kritik: Eine Art "Live-Experiment" mit dem ORF, dem aber kein klarer medienpolitischer Gestaltungswille zugrunde liegt, sieht der Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin. Dass die Finanzierung durch die Haushaltsabgabe, gepaart mit Werbeeinschränkungen zum "Nullsummenspiel" wird, sei nicht zu erwarten. Die Neuordnung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den ORF wäre für den "in seiner Funktionalität gefährdeten österreichischen Medienmarkt" eine Chance gewesen, die allerdings kaum genutzt wurde, erklärte wiederum der Medienwissenschafter Josef Seethaler. Sieht man sich zum Beispiel die neuen Vorgaben zur "Blauen Seite" an, gehe das in eine "falsche Richtung". Die Verknüpfung der neuen Finanzierung mit Sparmaßnahmen sei "unsinnig".(bau)