Die heimische Medienlandschaft kämpft mit einer existenziellen Krise. Die laufende Teuerung sowie Energie-, Papier- und Logistikpreisexplosion machen allen österreichischen Medien zu schaffen. Die Herstellungspreise für ihre Produkte steigen seit zwei Jahren exorbitant. Damit sind sie natürlich nicht alleine. Gleichzeitig aber brechen die Erlöse bei Werbung und Abonnenten ein. Unternehmen, die selbst nicht wissen, wie sie ihre Energierechnung bezahlen sollen, streichen eben als Erstes flexible Ausgaben wie die Werbung. Und Haushalte, deren Geld ebenso die Energieversorger haben, überlegen sich genau, welche Abonnements sie noch brauchen. Oft bleibt da Netflix bestehen, ein Abo der Zeitung oder einer Nachrichten-Website hat da das Nachsehen.

Das ergibt in Summe eine Schere, die momentan zunehmend auseinanderklafft. Und die die heimischen Verlage zwingt, unangenehme Personalmaßnahmen zu ergreifen. "Kurier" und "Kleine Zeitung" haben sich so von mindestens zehn Prozent ihrer Redaktionen trennen müssen. Ein Schritt, der schwerfällt, denn die Qualität eines Mediums sinkt mit jeder Journalistin und jedem Journalisten, die oder der nicht mehr dort arbeitet. Zehn Prozent weniger Journalisten bedeutet auch zehn Prozent weniger Inhalte. Bei gleichem oder steigendem Preis.

Auch andere Verlage wälzen momentan Sparpläne. Und die Sache ist nicht durchgestanden: Es ist davon auszugehen, dass spätestens Ende 2023 eine weitere Sparwelle fällig wird. Auch das Weiter-Erscheinen der Printausgaben etlicher heimischer Tageszeitungen steht mittlerweile zur Disposition. Die Einstellung der "Wiener Zeitung" mit 30. Juni macht etwa auch den Vertrieb der anderen Zeitungen teurer. Denn die Zeitungen werden seit längerem gemeinsam in einem Hauszustellungs-System vertrieben. Fällt ein zahlender Partner weg, müssen die anderen mehr zahlen. Schwierig, wenn man ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht.

Geldsegen via Haushaltsabgabe

Auch der ORF schlitterte zuletzt in die Kostenkrise. Ihm kommt jedoch zugute, dass der Verfassungsgerichtshof mit Ende 2023 seine Finanzierung in Teilen aufgehoben hat und die Regierung gezwungen war, eine medienpolitische Rettungsaktion zu starten. Deren Ergebnis: Die Haushaltsabgabe, jetzt "ORF-Beitrag" genannt, kommt. Sie weitet die Anzahl der Gebührenzahler auf alle Haushalte mit Hauptwohnsitz aus. Auch alle Unternehmen müssen sie zahlen, sofern sie Mitarbeiter haben. Bis jetzt mussten Haushalte und Unternehmen nur zahlen, wenn sie auch TV- und Radiogeräte in Betrieb haben.

Das führt für den ORF zu einem erfreulichen Geldsegen: Offiziell wird mit 710 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr gerechnet. Doch Experten sind skeptisch: Auch in Deutschland hatte man sich bei der Einführung der Haushaltsabgabe verschätzt. Das hatte zur Folge, dass ARD und ZDF plötzlich im Geld schwammen. Auch beim ORF seien 800 Millionen Euro durchaus drin, schätzen Experten. Es könnte sogar so weit kommen, dass deutlich mehr eingenommen wird, als der ORF für öffentlich-rechtliche Inhalte ausgibt. Der Überschuss stapelt sich in diesem Fall auf zweckgebundenen Sperrkonten.

Das ergibt insgesamt ein sehr asymmetrisches Bild. Einerseits der ORF, der üppig mit einer neuen 710+ Millionen Euro schweren Abgabe für alle gerettet wird und andererseits ein Dutzend Verlage, die sich die 20 Millionen Euro Medienförderung teilen müssen, von der man noch dazu nicht weiß, ob sie die EU in dieser Form zulassen wird. Das Gesetzesvorhaben liegt gerade in Brüssel zur Notifikation und konnte daher nicht, wie geplant, am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werde.

Der Eisberg kratzt schon

Um eine drastische Illustration zu bemühen: Die Rettung der österreichischen Medien läuft ein bisschen wie im Film "Titanic". Die erste Klasse wird gerettet und darf in halbleeren Rettungsbooten aus der Gefahrenzone rudern. Die anderen Medien müssen sich die im Wasser treibende Kabinentüre teilen. Und wir wissen ja, wie fair das gelaufen ist, gell Rose?

Kein Wunder, dass sowohl der Verlegerverband VÖZ als auch Privatfernsehverband (VÖP) gegen diese Ungleichheit Sturm laufen. VÖZ-Präsident Markus Mair sieht eine "Wettbewerbsverzerrung", die die privaten Medien vielleicht nicht überleben: "Aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage steht die Medienvielfalt in Österreich auf dem Spiel", mahnte Mair. "Das Gesetzespaket stärkt nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF", so der VÖP.

Zankapfel ist auch, dass der ORF viel mehr Möglichkeiten im Digital-Bereich bekommt, dafür aber kaum oder bestenfalls zahnlose Einschränkungen beachten muss. Das baut die dominante Marktposition des ORF in vielen Bereichen zusätzlich aus.

Eine tatsächliche Absicherung der Verlage und ihrer Online- und Print-Zeitungen lässt sich so sicherlich nicht erreichen. Dabei hätte es mindestens zwei gute Wege gegeben, das zu bewerkstelligen. Wenn man schon eine Haushaltsabgabe einführt, wäre es ein Leichtes gewesen, gleich alle Medien abzusichern. Man könnte einen Teil der Mehrerlöse in eine Stiftung überführen, die die Verlage bei der Erstellung hochqualitativer Inhalte finanziell unterstützt, die der Markt heute offensichtlich nicht mehr finanzieren kann. Der ORF muss ja schließlich kein Monopol auf öffentlich-rechtlichen Journalismus haben. Den können private Medien genauso erstellen.

Inserate nach Gutsherrenart

Sehr einfach wäre auch, einen Großteil der öffentlichen Inserate nicht mehr nach Gutsherrenart zu vergeben, sondern sie in die Medienförderung einzuspeisen und diese nicht mit 20, sondern 100 Millionen zu dotieren. Gleichzeitig könnte man die Fördernehmer im Gegenzug verpflichten, ein gewisses Volumen an (prinzipiell gerechtfertigten) Inseraten für die Kommunikation im öffentlichen Interesse zur Verfügung zu stellen. Aber an eine große Lösung bei der Förderung der Medien ist offenbar gar nicht gedacht. Stattdessen kreiert man ein Geflecht von Fördertöpfen, die allesamt leider unterdotiert sind für die Aufgabe, die sie bewältigen sollen: Nämlich sicherzustellen, dass Österreich auch in fünf Jahren noch private Medienprodukte von exzellenter Qualität hat.