Eine Ehe, die fast sechs Jahrzehnte andauert, ein wenig Politik in Bezug auf People of Color, dazu homosexuelle Liebe und zum Drüberstreuen noch der Kampf der Frauen für ihre Stellung in der Gesellschaft: Et voilà, der "Bridgerton"-Ableger "Queen Charlotte" ist nun beim Streamingdienstanbieter Netflix zu sehen.

Nach zwei "Bridgerton"-Staffeln wurde das Prequel nun von der Autorin und Serienerfinderin Shonda Rhimes geschrieben. Rhimes landete mit den bunten Inszenierungen, den opulenten Kostümen und Perücken, ein bisschen Dramatik sowie jede Menge wunderschöner Menschen, auch nackt, während der Pandemie einen Netflix-Hit. Dass dabei weder auf die historische Richtigkeit in Geschichte oder Kostüme geachtet wurde, war den Zuseherinnen und Zusehern schlichtweg egal. Es war die Zeit des Eskapismus, denn Quarantäne und Lockdowns sind der optimale Nährboden dafür. Um an die Erfolge anknüpfen zu können, legt Rhimes nun noch ein Schäufelchen nach: Königin Charlottes spätere große Liebe George leidet an Psychoseschüben, vermutlich eine Stoffwechselkrankheit. Bei Rhimes erkrankt der König schon sehr jung daran, tatsächlich soll George erst vier Jahre nach der Hochzeit den ersten Schub erlitten haben. Aber egal. Rhimes braucht Drama von Beginn an, denn es handele sich nicht um eine Geschichtsstunde. Es sei Fiktion, inspiriert von Tatsachen, heißt es im Vorspann.

Der Weg zur Macht

In "Queen Charlotte" wird, wie der Titel vermuten lässt, die Geschichte von Charlotte (India Ria Amarteifio) und ihrem Weg zur Macht erzählt. Bisher kennt man sie eher als ruppige, ständig ihre Sofahündchen kraulende Königin, die die Geschicke des Landes und die Heiratsangelegenheiten mit wenig sympathischen Zügen lenkt. Nun erfährt der Zuseher, wie es dazu gekommen ist: Sie wird erst 17-jährig von ihrem Bruder gegen ihren Willen mit König George (Corey Mylchreest) verheiratet und soll Englands erste schwarze Königin werden. Ein Experiment sei dies, hört man den Adel immer wieder sagen.

Die Stirn bieten

So kommt Charlotte also aus Deutschland an den britischen Hof und muss lernen, sich im Palast und vor dem Adel - vor allem vor Georges strikter Mutter - zu behaupten. Das gelingt ihr innerhalb der sechs Folgen zunehmend besser. Bald ist sie Teil der höheren Gesellschaft, der auch die junge Lady Danbury (Arsema Thomas) angehört und die den Vorurteilen gegen People of Color mithilfe geschickter Strategien die Stirn bietet. Auch Violet Ledgers Jugend (Connie Jenkins-Greig) - die spätere Lady Bridgerton - wird nebenbei erzählt.

Dramaturgisch hat Rhimes zwei Zeitebenen gespannt, die zwischen der jugendlichen Königin und dem kranken George sowie der älteren Königin mit ihren 15 Kindern springen. Auch regietechnisch (Tom Verica) wird ein hochwertigeres "Bridgerton"-Universum gezeigt, das natürlich mit Sexszenen auch dieses Mal nicht geizt. Die Fans der Serie werden begeistert sein, wie auch Zuseherinnen und Zuseher, die sich nicht über die freie Interpretation der Historie mokieren.