Auf die Frauen komme es an, sagt Katharina Horn und unterbricht sich gleich selbst. Nein, nicht Frauen, korrigiert sie, "haushaltsführende Personen" müsse das jetzt wohl heißen. Aber das seien eben meistens Frauen. Deshalb machen sie und ihr Team Radio für Frauen zwischen 30 und 50. "Wir achten dabei auf ein positives Klangbild, das auch ein bisschen entschleunigt", sagt sie. Katharina Horn ist Programmchefin bei MaxFive in Wien. Sie und ihre gut hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen Supermarkt-Radio für Märkte in ganz Europa. Rewe, mit 3.600 Läden der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland, hat seine Zentrale zwar in Köln. Das Radioprogramm kommt aber aus Wien, weil die Rewe Group, zu der unter anderem auch Penny, Billa und Bipa gehören, Eigentümerin von MaxFive ist.
Dass ein Handelskonzern eine eigene Firma hat, die sich "um positive Einkaufserlebnisse" kümmert, sei einmalig in der Branche, sagt MaxFive-Geschäftsführer Michael Tippl. Das liege daran, dass das Unternehmen seit 1995 langsam gewachsen ist. So eine Firma neu zu gründen, könne sich kein Konzern leisten. Die Konkurrenz kaufe ihre Programme daher von Dienstleistern zu. Kaum einer der großen Lebensmittelkonzerne will nämlich auf Musik verzichten. So hat zum Beispiel die Universität Köln in einer Studie festgestellt, dass das Tempo der Musik das Einkaufstempo beeinflusse. Sei die Musik langsam, lassen sich auch die Kundinnen und Kunden Zeit.
Die Kölner Studie geht sogar so weit zu behaupten, dass Musik das Einkaufsverhalten steuern kann. So habe eine Untersuchung gezeigt, dass französische Musik im Hintergrund den Verkauf von französischem Wein angekurbelt habe. Das Fachmedium Music2Biz zitiert eine US-amerikanische Studie, die belegen soll, dass sich durch Musik erzeugte Entspannung "in jedem Fall positiv auf die Wahl von gesunden Lebensmitteln auswirkt".
"Kunden aktivieren"
Über solche Studien spricht Michael Tippl nicht. Ein Supermarkt müsse "ein positiver und angenehmer Ort sein", sagt er aber. "Es geht darum, die Kunden zu vitalisieren und zu aktivieren", erklärt er seinen Job. Wobei MaxFive nicht nur Musik spielt, sondern klassisches Radio macht, also eine Mischung aus Musik, Informationen und Werbung. Übers Internet ist dieses Programm in Österreich als Jö-Live-Radio, benannt nach der hiesigen Kundenkarte des Konzerns, auch über die Märkte hinaus zu empfangen. Alle Märkte des Konzerns bekommen das gleiche Programm mit sogenannten Fenstern für ihre eigene Werbung.
Zum Job von Tippel gehört allerdings nicht nur die Beschallung. MaxFive kümmert sich auch um die Bilder, die über Bildschirme in den Märkten flimmern. Und man weiß: Gratis-Kostproben, Verkostungen oder sogar Kochen im Supermarkt seien "Verkaufserlebnisse", die im Kopf bleiben. Sie "heben die Stimmung und lockern die Börse", heißt es bei MaxFive. Man arbeitet dort unter anderem auch an interaktiven Bildschirmen, die zum Beispiel eine Weinberatung besser hinbekommen als nicht ausreichend geschulte Mitarbeiter, ebenso wie an einem Automaten für eine Weinprobe ohne Personaleinsatz. Es wird gerade ein System entwickelt, mit dem Obst und Gemüse mit einem Rabattsystem ohne viel Managementaufwand abverkaufen kann, bevor es nicht mehr verkaufbar sei und weggeworfen werden müsse. "Ich glaube, dass da kein Stein auf dem anderen bleibt", sagt Michael Tippl.
Auch der Duft ist kein Zufall
MaxFive arbeitet mit Partnern auch an Beduftung. Die spiele allerdings in Supermärkten zurzeit so gut wie keine Rolle. Es sei schwierig, im Supermarkt für einen passenden Duft zu sorgen, weil man ihn wegen der verschiedenen Abteilungen, in denen es ja unterschiedlich riechen müsse, nicht halten könne. Generell gelte aber, erklärt Tippl: Was schlecht riecht, lasse sich auch schlecht verkaufen. Kein gutes Hotel komme zum Beispiel ohne dezente Beduftung aus. Blumenläden auch nicht. "Sie werden kaum einen Blumenladen finden, der nicht beduftet ist. Blumen sind oft Industrieware, die duften nicht, zumindest nicht 24 Stunden", sagt Tippl.
Auch wenn MaxFive alle Sinne ansprechen wolle, "Kerngeschäft ist das Hören", sagt Tippl. Von sechs Uhr am Morgen bis acht Uhr am Abend wird aus Wien live gesendet. Zwei Stunden vor Ladenöffnung läuft bereits ein Programm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses Radioprogramm, dass auch übers Internet außerhalb der Märkte zu empfangen ist, diene als Kommunikations- und Motivationsplattform.
Alles, was schön ist
Im Radioprogramm für die Kundinnen und Kunden gehe es "um alles, was schön ist", erklärt Horn. Das heißt für ihren Chef: "Soft News, Good News." "Beim Einkaufen muss ich nicht hören, dass 500 Leute verbrannt sind", sagt Michael Tippl. Das Programm von MaxFive sei aber nicht einfach Gedüdel mit Werbebotschaften. "Wir sind journalistisch unterwegs, haben von Deutschland bis Bulgarien ein Journalistennetzwerk", versichert Tippl, der selbst als Radio-Redakteur gearbeitet hat. Das heiße: Die Redaktion behalte das aktuelle Tagesgeschehen im Blick. "Alles, was systemrelevant ist, also alles, was Menschen vor Schaden bewahrt, bringen wir. Aber wir machen keine Sensationsberichterstattung", erklärt Tippl.
Wer glaube, dass das Programm, das in Wien für Supermärkte gemacht wird, weniger anspruchsvoll sei als "echtes Radio", der irre sich, betont der Chef. Es gebe wöchentliche Redaktionssitzungen mit dem Konzern. "Die Kernthemen gibt der Kunde vor, wie wir die bringen, entscheiden wir", sagt er. Themengebiete seien vor allem die Produkte, die in den Märkten angeboten werden, und die Landwirtschaft. Das sei "ein harter Job", denn es sei "schwieriger, über eine Wurstsemmel zu reden, als über Elton John zu recherchieren". Die Themen variieren je nach Land, auch die Musik. In Italien sei der Musikgeschmack eben anders als in Deutschland, in Ungarn anders als in Spanien. Die Moderatorinnen und Moderatoren werden in dem Land, für das sie Programm machen sollen, gecastet, arbeiten aber dann in Wien. Aus zehn Studios wird parallel gesendet.
Kein "normales" Radio
Eine Abweichung zu "normalem" Radioprogramm" gibt es aber doch: "Die Leute sind im Schnitt 15 Minuten im Markt, darauf ist das Programm zugeschnitten", erklärt der Geschäftsführer. Es dürfe also nicht, wie bei einigen Radiosendern üblich, viel Musik am Stück gespielt werden. Aber für alle Programm stelle sich vor allem bei der Musikauswahl immer die Frage: "Was wollen Frauen lieber hören?"