Budapest. Wer ist durch die ungarischen Vorschriften für Medien geschützt? Mit dieser Frage befasst sich zurzeit das Oberlandesgericht in Budapest. Die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek geht dort gegen eine Entscheidung der Medienaufsicht vor. Die Behörde hatte eine Eingabe der Politikerin abgewiesen, mit der sie sich gegen Beschimpfungen des Kolumnisten und Moderators Zsolt Bayer zur Wehr setzen wollte.
Bayer, der als persönlicher Freund des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban gilt, hatte Lunacek im Februar in seiner vom Fernsehsender EchoTV ausgestrahlten Sendung "Korrektura" als "gehirnamputierte, an Krätze leidende Idiotin" bezeichnet, die "stinkende Hurenlügen" verbreite. Er bezog sich dabei auf Äußerungen Lunaceks über einen von ihm mitinitiierten "Friedensmarsch", bei dem am 21. Jänner hunderttausende von Ungarn in Budapest ihre Solidarität mit der Regierung bekundet hatten.
Unter der Gürtellinie
Die Politikerin hatte im Innenausschuss des Europaparlaments gesagt, dass bei der Kundgebung "offen antisemitische und europafeindliche Plakate zur Schau gestellt" worden seien. Lunacek hält bis heute an dieser Einschätzung fest. "Und wenn ich der Veranstalter wäre, würde ich den Leuten sagen, dass sie das wegnehmen sollen", betont sie.
Vergangene Woche entschied die Medienaufsicht, sie sei für den Fall nicht zuständig, weil sie nur über den Schutz der Rechte von Mediennutzern wache. Deshalb müsse sich die Politikerin an das Oberlandesgericht Budapest wenden. Das nennt Lunacek "nicht nachvollziehbar", zumal die Entscheidung kaum begründet worden sei. Dabei könne man doch gerade "in einem Sender, der von vielen Menschen gesehen wird", die Diffamierung einer Person und die Verletzung ihrer Menschenwürde, "die so unter die Gürtellinie geht", nicht akzeptieren.
Schaden für die Demokratie
Die Politikerin hofft nun, "dass die Juristen ausdrücklich feststellen, was man bei der Medienbehörde anscheinend nicht offen zu sagen wagt". Es gehe darum, "ob durch das stark kritisierte ungarische Medienrecht die Medienfreiheit und der Schutz der persönlichen Integrität in Ungarn gewahrt bleiben oder ob es nur dazu da ist, unliebsame Gegner zu diskreditieren", stellt ihr Sprecher Wolfgang Machreich klar. Auch der sozialdemokratische Europaparlamentspräsident Martin Schulz habe zugesagt, die Beschwerde zu unterstützen.
Lunacek hat die ungarische Mediengesetzgebung schon mehrfach scharf kritisiert. Die Vorschriften schadeten der Demokratie in Ungarn in besonderer Weise, widersprächen den "Grundprinzipien der EU, wie sie in den EU-Verträgen und der Grundrechte-Charta festgelegt sind", und müssten "als ein Versuch in einer Reihe von Vorstößen gesehen werden, die Pressefreiheit in Ungarn einzuschränken", unterstrich sie beispielsweise im Vorfeld des jüngsten Besuchs von Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Budapest.
Ende Mai hatte das Parlament die Mediengesetzgebung novelliert. Die Abgeordneten setzten damit die Vorgaben eines Urteils des Verfassungsgerichts um, welches im Dezember mehrere Bestimmungen für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hatte. Unter anderem wurden die staatliche Einflussnahme auf die Berichterstattung von Printmedien deutlich eingeschränkt und der Informantenschutz durch Journalisten verbessert.
Die Medienbehörde NMHH darf künftig redaktionelle Inhalte bei Printmedien nicht mehr kontrollieren. Allerdings hat sie dieses Recht weiterhin bei audiovisuellen Medien. Die NMHH kann außerdem nicht mehr von Journalisten verlangen, dass sie ihre Quellen offenlegen. Medienschaffende müssen ihre Informanten nur dann preisgeben, wenn es um die Aufklärung eines schwerwiegenden Verbrechens geht und Polizei und Staatsanwaltschaft ohne Mitwirkung von Journalisten nicht in den Ermittlungen vorankommen.
Darüber hinaus brauchen nach der jüngsten Rechtsangleichung die Betreiber des Rundfunksenders Klubradio - er steht der größten Oppositionspartei MSZP nahe - nicht mehr um ihre Existenz zu bangen. Klubradio drohte zwischenzeitlich wegen neuer Bestimmungen über die Vergabe von Frequenzen das Aus.