
Wien. Wenn eine Frau überdurchschnittlich gebildet, erfahren und multimedial tätig ist, aber unterdurchschnittlich bezahlt, hat sie das Profil einer typischen Wissenschaftsjournalistin. Um sich den Wissenschaftsjournalismus jedoch leisten zu können, betreibt sie nebenbei PR. In ihrem Bereich schließen sich die beiden Tätigkeiten nicht per se aus, da ihre Expertise sie bis zu einem gewissen Grad gegen Vereinnahmung immun macht. Vorausgesetzt, sie bewahrt sich einen kritischen Geist. Das zeigt eine im Auftrag des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vom Medienhaus Wien durchgeführte Studie.
Rund 300 Wissenschafts- und Bildungsjournalisten arbeiten in Österreich. Aufbauend auf qualitativen Interviews wurden 100 von ihnen, die ein regelmäßiges Einkommen aus journalistischer Tätigkeit in Print-, Fernseh- Fach- und Online-Medien beziehen, telefonisch befragt. Das Fazit: Österreichs Bildungs- und Wissenschaftsjournalismus ist von prekären Beschäftigungsverhältnissen, hohem Arbeitsdruck, unsicherer finanzieller Lage und ebensolchen Zukunftsaussichten geprägt.
Wissenschafts- und Bildungsjournalisten sind mit einem Mittelwert von 47,3 Jahren rund sieben Jahre älter als ihre Kollegen in anderen Ressorts und der Frauenanteil ist mit 56 Prozent höher (andere: 42 Prozent). 65 Prozent haben einen akademischen Abschluss, zumeist in den Geisteswissenschaften (andere Ressorts: 34 Prozent). Knapp mehr als die Hälfte arbeiten für mehr als eine Mediengattung. Am häufigsten wird über Medizin berichtet, am zweithäufigsten über Naturwissenschaften.
Im Unterschied zu anderen Sparten mit 26 Prozent arbeiten nur sieben Prozent der Befragten ressortübergreifend, da die Wissenschafts- und Bildungsjournalisten mit 21 Jahren Berufserfahrung gewissermaßen Spezialisten sind. Sie sehen sich als objektive Vermittler, die komplexe Sachverhalte neutral erklären und die Realität so abbilden wollen, wie sie ist. Weniger verstehen sie sich als Aufdecker und Kritiker.
Die wirtschaftliche Lage vieler der Befragten ist problematisch. "Sie machen ihre Arbeit gerne, aber sie wissen nicht, wie lange noch", betont Studienautor Andy Kaltenbrunner. Nur 58 Prozent sind angestellt, der Rest ist frei (andere Ressorts: 29 Prozent Freie). Das Honorarniveau liegt laut Studie in den zuständigen Ressorts Feuilleton und Wissen auf dem Tageszeitungsniveau der 1980er Jahre. Viele Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten sind daher auf andere journalistische oder PR-Tätigkeiten als zusätzliche Einkommensquellen angewiesen. Vor allem Nebentätigkeiten für Firmen und Forschungseinrichtungen sehen 61 Prozent als problematisch. Doppelgleisigkeiten seien "eine logische Konsequenz, wenn man die finanzielle Unterfütterung des Bereichs betrachtet", so Kaltenbrunner.
Budget- und Personalkürzungen in den vermeintlich unwichtigen Bildungs- und Wissenschaftsressorts haben zur Folge, dass Angehörige dieser Branche sich unweigerlich mit neuen Verbreitungsmöglichkeiten befassen werden müssen, wovon eine zunehmende Anzahl an privat finanzierten, wissenschaftlichen Medien im Internet zeugt.