
Das erste Treffen mit Markus scheitert wegen "tinder". So heißt aber nicht etwa die neue Bekanntschaft, die er an jenem Abend dem geplanten Journalistengespräch vorzieht. Vielmehr ist "tinder" der Name der App, die ihm das Date mit seiner neuen Bekanntschaft erst ermöglicht hat. Rasch, spontan und unkompliziert.
Dabei gehört "tinder" zu den Dingen im Leben, zu denen man sich allenfalls halböffentlich bekennt. Seinen richtigen Namen möchte Markus, 26, daher lieber nicht in der Zeitung lesen. "Wie sieht das denn aus", sagt er. Er, der schließlich jung, sportlich und gutaussehend ist, hätte es ja eigentlich nicht nötig, eine Dating-App zu nutzen, um Frauen aufzureißen. "Nur geht es damit eben viel einfacher", sagt er.
Selektion möglicher Partner wie am Fließband
Seit vier Jahren ist Markus Single. Was aber nicht heißt, dass er auf weibliche Zuneigung verzichten will. Auf Affäre folgt Affäre, oft auch nur für eine Nacht. Für eine Beziehung sei er schon offen, betont er. "Nur war eben noch nicht die Richtige dabei." Seit August ist Markus bei "tinder" und folgt damit einem Trend aus den USA, wo die Smartphone-App Ende 2012 erfunden wurde.
"Tinder" heißt so viel wie Zunder, daher auch die kleine rote Flamme als Symbol. Die Bedienung der Plattform ist denkbar einfach. Eine schlichte Oberfläche richtet den Blick auf das Wesentliche: Selbstporträts, seit 2013 auch "selfies" genannt. Jeweils fünf davon kann jeder "tinder"-Nutzer via Facebook hochladen. Die Verknüpfung mit den Facebook-Profilen ist raffiniert, weil die App "Likes" und Gemeinsamkeiten potenzieller Partner vergleicht und so die zueinander führt, die etwa denselben Musikgeschmack haben oder bei denselben Firmen kaufen. Auswahlkriterium Nummer eins sind aber ganz klar die Fotos. Wie auf einem Bazar bekommt man bei der App Leute seiner persönlichen Zielgruppe angezeigt: wahlweise zwischen 18 und 50 plus, männlich oder weiblich, von weit weg bis ganz nah. Mittels Wischbewegung zieht der Nutzer dann "selfies" die gefallen, nach rechts, die nicht gefallen nach links, wie am Fließband. Selektion auf den ersten Blick, rein oberflächlich.
"Es geht aber nicht nur um Sex", sagt Markus und scheint schon in diesem Moment zu wissen, dass er jetzt ein bisschen unehrlich war. Denn natürlich steht der Sex im Mittelpunkt. Zumindest für die meisten männlichen "tinder"-Nutzer die Markus kennt. Was die Frauen betrifft, ist er sich noch nicht ganz sicher: "Viele sind frustriert von stressigen Beziehungen und wollen einfach eine Zeit lang Spaß haben."