Doschd (auch: TV Rain) ist die erste Adresse, wenn Kreml-Kritiker oder Oppositionelle zu Wort kommen. Pussy Riot und Michail Chodorkowski gaben dem TV-Sender in Pink jeweils ihre erste Pressekonferenzen nach der Haft. Auch über den Oppositionellen Alexei Nawalni hat Doschd immer wieder als einziger TV-Sender berichtet. "Es ist aber nicht so, dass wir uns als oppositionellen TV-Sender sehen", sagt Online-Chef Ilja Klischin. "Es berichtet schlichtweg niemand anderer darüber - außer uns."
Das Studio von Doschd liegt mitten im Bobo-Viertel Moskaus - auf dem Gelände von "Krasnij Oktjabr", "Roter Oktober", einer ehemalige Schokoladefabrik am Ufer der Moskwa. Dort, wo heute bunte Graffiti die roten Backsteinwände schmücken und junge Moskauer in Röhrenhose und Hornbrille über den Asphalt schlendern. Aus der hippen Gegend muss Doschd aber bald ausziehen - der Sender steckt in großen Schwierigkeiten.
Doschd ist zuletzt immer mehr unter Druck geraten - politisch und wirtschaftlich. Wobei das in Russland nicht immer genau voneinander zu trennen ist: Anfang dieses Jahres wurde auf der Homepage des Senders eine Umfrage online gestellt: Wäre es im Zweiten Weltkrieg besser gewesen, die Leningrader Blockade aufzugeben, um dadurch Menschenleben zu retten? Während der Blockade kamen 1,1 Millionen Menschen ums Leben. Nach der Sendung tobte ein Shitstorm. Was dem Sender einfalle, die sowjetische Geschichtspolitik in Frage zu stellen?
"Mir kam das wie eine orchestrierte Aktion vor", kommentiert Online-Chef Klischin heute. "Die Sendung lief Sonntag spät am Abend, und innerhalb einer Stunde sahen wir Tweets von Parlamentsabgeordneten. Ich habe das Gefühl, sie wollten das wie eine spontane Aktion aussehen lassen." Insidern zufolge wurde das Programm von Doschd schon seit Monaten von einer Monitoring-Gruppe der Präsidialverwaltung rund um die Uhr beobachtet. Kurz darauf strichen alle großen Kabelbetreiber den Sender aus ihrem Programm, Doschd verlor praktisch seine gesamte Reichweite. Für Klischin ist das eine Strategie, unabhängige Medien unter Druck zu setzen: "Es ist kein offizielles Verbot, sondern durch die Hintertür: Hey, so ist eben das Business. Ihr wart einfach nicht gut genug", sagt Klischin. Kurz darauf wurde bekannt, dass der Mietvertrag nicht verlängert wird.