Schon längere Zeit ist die furchteinflößende Gestalt des Krampus, des finsteren Begleiters des Heiligen Nikolaus im Alpenraum, Teil der US-Popkultur. Sie steht im Mittelpunkt von Horrorfilmen, wird als putzige Plastikfigur verkauft und ist in der Vorweihnachtszeit ein willkommenes Thema in Comicbüchern.

Vom Alpenschreck zum Übersee-Schurken: der Krampus in US- Comics. - © Imago Comics
Vom Alpenschreck zum Übersee-Schurken: der Krampus in US- Comics. - © Imago Comics

Nun darf man gerade im Comicgenre keine tiefgreifenden volkskundlichen Abhandlungen darüber erwarten, aus welchen Mythen die Figur des Krampus entstanden ist, inwiefern er sich von Perchten unterscheidet und welche Rolle die "schwarze Pädagogik" des barocken höfischen Jesuitentheaters bei seiner Verbreitung in Österreich spielte. In den USA wird die Figur auf das Wesentliche reduziert: ein dunkler Gegenpart zum ewig lachenden, pausbäckigen und von einem Getränkehersteller durchkommerzialisierten Santa Claus.

Krampus mit Kruckenkreuz

Dem Cross-Cult Verlag ist es nun zu verdanken, dass man ab diesem Monat auch auf Deutsch eines dieser Hefte lesen kann, glücklicherweise gleich eines der künstlerisch besten: "Hellboy: Krampusnacht". Es spielt in einer von Mike Mignola geschaffenen Pulp-Welt voller viktorianischen Schrecken und Lovecraftian Horrors. Hier hat der Zweite Weltkrieg auch auf okkulter Ebene stattgefunden: NS-Schergen gelang es gemeinsam mit dem "Mad Monk" Rasputin, einen Dämon heraufzubeschwören, der den Weltuntergang in Gang setzen wird. Doch Hilfe naht: US-Soldaten und Professor Bruttenholm, der Erforscher alles Übernatürlichen, retteten ein Wesen, das sich als verängstigtes Kind in Teufelsgestalt entpuppte und eine Vorliebe für Schokoladeriegel der Soldaten entwickelte. Sie nahmen es fürsorglich als ihren "Hellboy" auf, und der Professor konnte beweisen, dass Sozialisation entscheidender für einen Charakter ist als Veranlagung. Aus dem erwachsenen Hellboy wurde ein Ermittler des Paranormalen, der gegen Dämonen, verrückte Wissenschafter und allerlei widernatürliche Kreaturen, seien es grotesk entstellte Gorillas oder giftige Froschwesen, kämpft.

In der 1975 spielenden "Krampusnacht" verschlägt es Hellboy in die verschneiten Salzburger Alpen der Vorweihnachtszeit. Hier nimmt er die Spur des Krampus auf, an den er selbst eigentlich nicht glaubt. Von einer geisterhaften Frauenerscheinung wird er angefleht, ihr einst verschlepptes Kind zu erlösen. Sie weist ihm dafür auch gleich den Weg zu einem einsamen Haus im Wald. Ein allzu freundlicher kleiner alter Mann mit Ziegenbart wartet dort schon, und zumindest österreichischen Lesern wird sofort klar: Wer eine Kruckenkreuzfahne des austrofaschistischen Ständestaats an der Wand hängen hat, dem kann man nicht wirklich trauen.

"Hellboy: Krampusnacht" lebt von einer idealen Kombination zweier Comicschaffender. Der Autor Mignola schreibt eine für ihn typische Geschichte voller Mystik und Melancholie, die sich um Errettung, Vergebung und Erlösung dreht - er zeichnet sie aber diesmal nicht selbst in seinem kantigen, kontrastreichen Stil. Die Kunst steuert Adam Hughes bei, dessen klare, saubere Striche und Farbgebung die Mimik der Figuren erstrahlen lassen. Selten war ein blutiger Kampf höllischer Wesen auf Leben und Tod schöner anzusehen. Kein Wunder daher, dass dieses schmale, auf 32 Seiten angelegte Heft mit einem Eisner Award, dem Oscar der Comicbranche, ausgezeichnet wurde.

Im Bann textilarmer Hexen

Wer nicht immer todernste Abenteuer von Nikolos finsterem Begleiter lesen will, kann auf Englisch die fünfteilige Mini-Serie "Krampus!" von Image Comics aus dem Jahr 2014 zur Hand nehmen. Hier steht die "Secret Society of Santa Clauses" vor einem existenzbedrohenden Problem: Jemand hat die Kraft der verschiedenen weltweiten Weihnachtsmänner gestohlen und attackiert die nun Wehrlosen. Nur mehr ihr verhasster und seit Jahren im Kerker schmorender Gegenspieler Krampus kann ihnen helfen.

Dass Comics schon lange nicht mehr nur etwas für Kinder sind, beweist schließlich auch eine Serie, in der seit 2014 regelmäßig der Krampus eine Rolle spielt. Genauer gesagt wendet sich "Tarot: Witch of the Black Rose" von Jim Balent, in Sammelbänden bei Panini Comics auf Deutsch verfügbar, explizit nur an die erwachsene Leserschaft. Denn der Macher zeichnet die Serie nach einer einfachen Formel: Der Bekleidungsgrad der Hexen ist indirekt proportional zu ihrer Oberweite. Dabei lässt die Hexenkriegerin Tarot auch bei frostigen Temperaturen sehr tief blicken. In diesen Geschichten bestraft der Krampus nicht nur kleine böse Kinder, er steht auch für das ungezügelte, orgiastische Ausleben körperlicher Freuden, was ihn bei den Erwachsenen überraschend beliebt macht . . .