Schnee: durch Kälte kristallisiertes Wasser (chemische Formel, wie dieses, H2O), Fallgeschwindigkeit ungefähr 4 km/h, lateinisch "nix", mittelhochdeutsch "sne", englisch "snow", französisch "neige", norwegisch "snø", russisch "sneg", Vorzugsbeispiel für Fraktale Geometrie.

Sollte das alles sein?

Schnee: Weiß ummantelte Bäume, Dächer, als wären sie angezuckert, klare Luft mit einer Kante, die kratzt, wenn man einatmet, gedämpfte Laute, Spuren hinterlassen.

Nur nicht poetisch werden, bitte!

Schnee: Ausgangsmaterial für Skifahren und Rodeln und Schlittenfahren und Schneeballschlachten, idealer Spielplatz für Kinder und Hunde, und überhaupt: Wie lang muss die Karottennase im Schneemanngesicht sein?

Schon besser!

Schnee: Das ist Winterfreude und Weihnachten. "Sterne hoch die Kreise schlingen, / aus des Schnees Einsamkeit / steigst’s wie wunderbares Singen - / O du gnadenreiche Zeit", dichtete Joseph Freiherr von Eichendorff.

Als ob Weihnachten etwas mit Schnee zu tun hätte! Nichts deutet darauf hin, dass damals in Judäa Schnee gelegen hätte, zumal Jesus ja auch ganz bestimmt nicht Ende Dezember geboren wurde. Dass Weihnachten und Schnee zusammenkommen, ist einzig und allein Furius Dionysius Filocalus zu verdanken, einem römischen Kalligraphen, der in einem spätantiken Text dieses Datum festgelegt hat.

Filocalus arbeitete im Auftrag des christlichen Aristokraten Valentinus - sollten diesem die am 25. Dezember stattfindenden Sol-Invictus-Feiern ein Dorn im Auge gewesen sein? Feiern wollen wir - aber übermalen wir die alten Feiern mit dem neuen Glauben... - das frühe Christentum hat es immer wieder verstanden, frühere Religionen gleichsam zu überbauen und zu amalgamieren.

Seither jedenfalls, und nicht (nur) wegen Bing Crosbys "White Christmas", gehören Weihnachten und Schnee zusammen. Sogar Alf, der Außerirdische, hofft in der Weihnachtsfolge auf Schnee - in Kalifornien! (Und bekommt ihn auch - auf die getoastete Katze wartet er indessen vergebens.) Schnee liegt in den Krippen, "jingle bells" sind Schlittenglocken, und natürlich weiß jeder Nordamerikaner, dass sein Weihnachtsmann und Rentier Rudolph am Nordpol leben, zwangsläufig, sozusagen, denn dort liegt immer Schnee (obwohl es in Realität und vom Klimawandel bedroht wohl eher Eis sein dürfte. Aber so genau wollen wir das nicht nehmen.)

Aber Schnee fasziniert nicht nur zu Weihnachten. Wieso eigentlich? Er ist doch nur eine Naturerscheinung, etwas wie Gewitter, wie Frost und Hagel, wie Sturm. Diese Naturerscheinungen freilich erwecken Furcht und Angst. Zumindest flößen sie Respekt vor den Kräften der Natur ein. Schnee hingegen scheint sanft, ruhig und milde. Im Mythos streut Frau Holle den Schnee über die Erde. Frau Holle - das ist die vom Christentum verdrängte große Muttergöttin, die zur Perchta wurde. Gut und Böse sind in ihr vereint, so wie die Natur den Menschen Segen brachte und Fluch.