Die Vögel tun es, die Bienen tun es - nur die Millennials, die tun es nicht. Oder zumindest merklich weniger häufig als ihre Vorgeneration im fraglichen Alter, untermauern Studien und Artikel über das Sexualleben der in den 80ern und 90ern Geborenen quer über den Globus. Damit hätte man vor ein paar Jahren wohl kaum gerechnet, als man derselben Altersgruppe mit Schlagwörtern wie "Hook-up-Generation" eine horizontale Aktivität unterstellte, die sogar pubertierende Karnickel prüde wirken ließe. Doch dass Plattformen wie Tinder das Balzverhalten in der Theorie unkomplizierter erscheinen lassen, hat in der Praxis oft ganz andere Auswirkungen. Die schönste Nebensache der Welt wurde scheinbar zur verzichtbaren sozialen Bagatelle. Aber genauso wie das Klischee der Akkordkopulierer streifen immer mehr Millennials auch dieses Pauschalurteil langsam ab und sich stattdessen lieber etwas über. Bestes Beispiel dafür sind die Sex-Positive-Partys mit dem Titel "Zusammen kommen", die das Kollektiv Hausgemacht seit etwa einem Jahr in Wien veranstaltet.
"Ich habe das Gefühl, dass man den natürlichen Zugang zum Sex ein bisschen verloren hat", sagt Frederika Ferková von Hausgemacht. Die Body-Positivity-Bewegung oder die feministische Bewegung würden den positiven Zugang zum eigenen Körper und der eigenen Sexualität in den sozialen Medien zwar verstärkt propagieren. Aber genau da würde das Ganze auch bleiben: in virtueller Distanz. "Wir wollten etwas gründen, wodurch man das, was man sonst bloß im Instagram-Feed durchscrollt, endlich selbst erleben darf."
Einmal ablegen bitte
Neu ist das Sex-Positive-Konzept freilich nicht. Es geht zurück auf die sexpositive feministische Bewegung der frühen 80er Jahre, die sich sowohl der antipornografischen feministischen Strömung als auch der patriarchalischen Kontrolle der Sexualität entgegensetzte. Im Vordergrund stehen Toleranz und Offenheit für jede geschlechtliche Identität und sexuelle Präferenz. In Berlin gehören Sex-Positive-Partys heute längst zum Clubkolorit. Ähnliche Ansätze gibt es in Wien vor allem in der LGBT-Szene bei verschiedenen Clubbings. Was neu an dem Konzept der Hausgemacht-Events ist, ist die Öffnung der Wiener Mainstream-Clubszene für die sexuelle Freiheit, und zwar ausschließlich in Zusammenhang mit einer entsprechenden Kleiderordnung. Was es also für das reibungslose - und damit reibungsvolle - Ablaufen solcher Partys braucht, ist vor allem eine harte Tür.
Schon bei der ersten Sex-Positive-Party im Club "Auslage" ist klar: "Da kommst du nicht rein", es sei denn, du trägst ein passendes Fetisch-Outfit oder hast dich zumindest in Minimalschale geworfen. Direkt an der Kassa müssen die Gäste, deren geschätztes Alter überwiegend zwischen Mitte 20 und Mitte 30 liegt, ihre Straßenkleidung ablegen, sofern sie nicht ohnehin in Tanga oder Lederharnisch angereist sind, und sie in einer Tasche an der Garderobe abgeben. Außerdem wird streng hinterfragt, wie man auf die Party gekommen ist, was die Beweggründe für den Besuch sind und ob man das Konzept dahinter auch wirklich verstehe. Dabei achtet das Kollektiv auf eine ausgewogene Auslastung des Clubs. Herrscht Männerüberhang, werden nur mehr Frauen eingelassen. "Wir wollen den feministischen Aspekt der Sex-Positive-Bewegung ins Zentrum rücken", erklärt Ferková.