"Mir ist so unendlich weh und traurig ums Herz, Du kannst es nur begreifen, wenn Du gefühlt hast, wie ich an dieser großen Sache gehangen bin (. . .). Und nun aus und vorbei, (. . .), das elende Wort ,Zurück!‘ (. . .)." Das schreibt Tonio Rella, Artillerieoffizier der k.u.k. Armee, am 19. Juni 1916 an seine Frau Camilla. Rella war kein Pazifist. Er hat, wie so viele, unter ihnen auch Dichter, Schriftsteller und Maler, an die reinigende Kraft des Ersten Weltkriegs geglaubt. Aus dem Sieg der Mittelmächte sollte ein großer Frieden entstehen. Die Enttäuschung ist eine zweifache: Der Krieg erweist sich weder als Reinigung, noch siegen die Mittelmächte.
Christoph Rella, Redakteur der "Wiener Zeitung", hat zusammen mit Martina Fuchs den Briefwechsel seiner Urgroßeltern in den Jahren 1914 bis 1917 herausgegeben. Das Buch ist unverzichtbar für jeden, der hautnah, ohne Filterung durch schriftstellerische Finessen, erfahren will, wie es im Feld ausgesehen hat, wie zwei Menschen den Krieg erlebt haben, die in keiner besonderen Position waren.
Die insgesamt 327 Briefe lassen vor allem eine Entwicklung im Tonfall erkennen. Der bissige Humor der frühen Briefe ("dort haben wir dem Vaterland gedient, indem wir uns anregnen ließen") ist später kaum noch zu finden. Da dominieren dann Situationsbeschreibungen, die Rellas außergewöhnliche Beobachtungsgabe offenbaren. Wenn er dann im September 1916 schreibt: "Kannst Du das verstehen, wie deprimierend es ist, jetzt schon 6 Wochen weg zu sein, nichts geleistet zu haben und auch keine lichtere Zukunft zu sehen", spürt man die Enttäuschung, die aus dem Dienst-Alltag erwächst. Kleinigkeiten wie eine Jause oder ein Kinobesuch gewinnen dadurch an Bedeutung - und lassen auch den Leser sehr gut die Ermattung der anfänglichen Kriegsbegeisterung spüren.
Camilla Rellas Briefe hingegen versichern immer wieder, dass "zu Hause" alles in Ordnung ist, es sei "gottvoll gemütlich und angenehm" - nur ja dem Mann im Feld keine zusätzlichen Sorgen aufladen.
Christoph Rella hat das Buch mit einem klugen Vorwort und einer Flut interessanten Bildmaterials versehen. Das berührendste der Bilder ist das letzte: Tonio Rella vereint mit Camilla. Er hat den Krieg überlebt.