Die Waffen schwiegen, der Krieg war vorbei. Wien wurde 1945 zu dem Ort, an dem die Siegermächte auf engstem Raum aufeinander trafen. Mit ihnen prallten - trotz der einenden Allianz gegen den Nationalsozialismus - höchst konträre Weltbilder und unterschiedliche Konzepte von Moderne aufeinander.
Die Waffen schwiegen, doch der Wettstreit der politischen Systeme ging weiter. Denn den vier Besatzungsmächten war es in der frühen Phase des Wiederaufbaues ein klares Anliegen, ihr eigenes politisches und ideologisches System prägend einzubringen. Ein Feld, auf dem die Debatte darüber recht hitzig geführt wurde, wer denn nun die zündendere und praktikablere Formel für ein besseres Leben habe, war in diesen Jahren auch die Architektur. Von Konzepten im Wohnbau bis hin zum Möbeldesign versuchten die vier Nationen, ihre Vorstellungen einer modernen Gesellschaft auch in den Alltag der Menschen zu implementieren - und dadurch das damit verbundene Lebens- und Konsumgefühl weiter zu verbreiten.

Das Architekturzentrum Wien, das in seinen Ausstellungen seit einigen Jahren den Fokus auf die gesellschaftliche Dimension von Architektur legt, beleuchtet mit der Besatzungszeit ein Kapitel österreichischer Geschichte, das kulturhistorisch bisher wenig reflektiert wurde. Kuratorin Monika Platzer hat sich dafür in Archiven auf Spurensuche begeben und erforscht, wie sich der Kalte Krieg im Wiederaufbau Wiens architektonisch niedergeschlagen und gezeigt hat. Damit hat sie aufgearbeitet, "wie massiv die Siegermächte Wirtschaft und Kulturpolitik beeinflussten" und wie sehr sie sich dabei ästhetischer "Erziehungstools" bedient haben.
Die Vielfalt der Themen und Bereiche ist in der aktuellen Schau "Kalter Krieg und Architektur" ebenso erstaunlich, wie die damit transportierten Weltbilder naheliegend wirken. Unterteilt ist die Schau im Museumsquartier wie einst die Stadt in vier farblich gekennzeichnete Zonen - rot für Russland, gelb für die USA, blau für Frankreich und grün für Großbritannien. Im Zentrum steht weniger die gebaute Substanz als die städteplanerischen Debatten und architektonischen Ausstellungen dieser Zeit. In den Sektoren zeichnet die detailreiche und absolut sehenswerte Schau nach, wie die Siegermächte ihre Vorstellungen davon transportieren wollten, wie die Welt nach 1945 auszusehen habe - mit den Instrumentarien Stadtplanung und Ästhetik.
Eigenheim versus Mietshaus
Während die Briten einen Weg des demokratischen Wohlfahrtsstaats verfolgten und städtebaulich auf eine "gegliederte und aufgelockerte Stadt" setzten, zeigen die in der Schau präsentierten Pläne, wie die Amerikaner den "American Way of Life" auch hierzulande baulich etablieren wollten. In Wien-Hietzing entstand etwa eine Mustersiedlung, die das Konzept des Eigenheims als Gegenentwurf zum Mietshaus propagierte. Die Franzosen richteten sich vornehmlich an Elite und Jugend und betrieben stark personalisierte Kulturpolitik. Die Russen etablierten Informationszentren, in denen Themen wie die Aufbauleistungen der UdSSR mit ihren technischen Errungenschaften an die Wiener vermittelt werden sollten.
Wie sehr Architektur dabei geeignet ist, politische Weltbilder zu transportieren, zeigt ein Entwurf der Wiener Staatsoper aus 1947 als Haus mit offenen Rängen, als Sinnbild für demokratische Offenheit - durchgesetzt hat sich bekanntlich das Konzept der höfisch geprägten Logenarchitektur.