Städte sind unser Schicksal. Mehr als die Hälfte der 7,7 Milliarden Menschen auf der Welt leben in Städten ab 10.000 Einwohnern. In Österreich sind es 60 Prozent. Erfüllt die Stadt etwa Hoffnungen nach einem besseren Leben? Nimmt man urbane Dystopien wie jene in Ridley Scotts "Blade Runner", dann nicht. Zählt man Abgase, Enge und Kosten dazu, dann erst recht nicht. Ist ein positives Stadt-Bild gerechtfertigt?

"Dass Stadtluft frei macht, ist ein altes Versprechen: Wir bauen die bessere, ideale Stadt. Doch Vorstellungen von besser sind relativ", sagte Angelika Fitz, Direktorin des Architekturzentrums Wien am Dienstagabend bei einer Diskussion der Reihe "Dialogic" in der Wien Bibliothek. Die Diskussionsreihe der Ludwig Wittgenstein Gesellschaft und der "Wiener Zeitung" widmet sich aktuellen Themen, die die Philosophie anstößt. Am Dienstag wurde unter dem Titel "Ludwig Wittgenstein und Architektur: Welche Moderne für welche Zukunft?" der Bogen von philosophischer Logik zur Logik des Bauens gespannt.

Was kann der Städtebau von der Philosophie lernen? Moderator Hämmerle, azw-Direktorin Fitz, Philosoph Stadler und Architekt Kapfinger bei einer Diskussion der "Wiener Zeitung" und der Ludwig Wittgenstein Gesellschaft. - © Simon Rainsborough
Was kann der Städtebau von der Philosophie lernen? Moderator Hämmerle, azw-Direktorin Fitz, Philosoph Stadler und Architekt Kapfinger bei einer Diskussion der "Wiener Zeitung" und der Ludwig Wittgenstein Gesellschaft. - © Simon Rainsborough

Zurück zur Urbanisierung: "Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde fast mit Fanatismus die Zerstörungen des Bombenkriegs zum Anlass genommen, um wie auf einer Tabula rasa die bessere Stadt zu bauen", sagte Fitz. Gründerzeit-Architektur galt als abzulehnen, man wollte Ordnung. Auch jeder Häuselbauer will wohl auch eine bessere Welt, das perfekte Haus für sich. Ohne diesen Optimismus könne er nicht planen, sagte Fitz.

Wittgenstein errichtete in den 1930er Jahren für sich selbst ein einfaches Haus im norwegischen Fjordland, alleinstehend am Ende eines Sees. "Er war ein Einzelgänger. Er hätte nicht gerne in einem Stadthaus gewohnt", sagte der Wissenschaftsphilosoph Friedrich Stadler, Professor der Universität Wien und Gründer des Instituts Wiener Kreis. Doch der Philosoph baute in Wien. Das Palais für seine Schwester, Margarethe Stonborough-Wittgenstein, ist ein herrschaftliches Wohnpalais mit 27 Zimmern, das für sie auch eine Bühne war.

Bauen als Lebensphase steht gegen "Betongold"

"Für Wittgenstein war das Bauen eine Lebensphase, in der sich bewähren wollte, da er einen Zusammenhang zwischen Philosophie, Moral und Architektur sah", betonte Stadler. "Es war nicht seine Absicht, einen Maßstab für reproduzierbares, leistbares Wohnen zu setzen."

Die Moderne hätte unzählige Anläufe gemacht, eine den menschlichen Bedürfnissen gerechte Stadt zu bauen, warf Moderator Walter Hämmerle ein, Chefredakteur der "Wiener Zeitung": "Brachte die Moderne aber tatsächlich eine bessere Stadt?" - "Wittgenstein ist kein Modernist und das Haus ist kein Haus der Moderne", konterte der Architekt, Autor und Publizist Otto Kapfinger. "Er ist auch kein Revolutionär und kein Philosoph, der Axiome für die bessere Welt erdenkt. Sondern er räumt das alles herunter, indem er sagt: Darüber kann man auf logisch-mathematischer Ebene gar nicht reden."