Es reichen ein Stift und ein Blatt Papier, um große Geschichten zu erzählen. Zumindest, wenn man Joe Sacco heißt und als Begründer der Comic-Reportage diese zum eigenen Stilelement gemacht hat. Palästina, Gaza und Sarajevo sind nur einige Orte, von denen Sacco berichtet hat. Die "Wiener Zeitung" traf den Journalisten im Rahmen des Literaturfestivals "Erich Fried Tage", diesmal unter dem Motto "Keine Angst" in Wien.

Wiener Zeitung:Wie manifestiert sich Angst in der Welt und wie wesentlich ist sie als  Grund für Konflikte?


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Joe Sacco bei Edition Moderne
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Joe Sacco: Ich denke, dass Angst ist im Herzen von fast allen Konflikten, normalerweise als die Angst vor dem Anderen. In Europa ist es derzeit meist die Angst vor Migration. Vor den Migranten, die ihrerseits auch Ängste haben und aus diesem Grund auch ihre Heimat verlassen. Krieg, Klimawandel, ökonomische Zwänge und Missstände, die Sorge um Kinder, körperliche Gewalt, um das eigene Leben. Natürlich haben wir auch andere Gründe für Angst. Angst ist einer der großen Motoren für Konflikte. Eine besondere Rolle spielen künstlich geschürte Ängste.

Ein Ausschnitt aus dem neuen Buch "Wir gehören dem Land" über die indigene Bevölkerung Kanadas. Der Titel wird im Sommer 2020 auf Deutsch erscheinen.  - © Foto: Verlag Edition Moderne
Ein Ausschnitt aus dem neuen Buch "Wir gehören dem Land" über die indigene Bevölkerung Kanadas. Der Titel wird im Sommer 2020 auf Deutsch erscheinen.  - © Foto: Verlag Edition Moderne

Wie wir es gerade in der Politik erleben?

Politik besteht meist aus der Spannung zwischen Freund und Feind. Wir finden immer einen Feind, selbst wenn es ihn nicht gibt. In den USA erschaffen wir künstliche Feinde, so solidarisieren sich Menschen und lassen sich lenken. Man stiftet Leute an, Feindbilder zu haben. Migranten sind so ein Thema, generell Menschen die andere Meinung haben. Unglücklicherweise kommen wir von der Angst nicht los. Angst, ob real oder künstlich geschaffen, schürt Konflikte und treibt sie an.

Gibt es einen Anstieg der Angst oder ist es eine stetige Entwicklung?

Es gibt einen Anstieg. Alle von uns haben Angst, selbst wenn sie sie nicht spüren. Viele haben derzeit Angst was mit dem Klima passiert und wie die Zukunft aussehen wird. Wir wissen, es bedeutet eine Welle von Flüchtlingen, wir wissen, dass Menschen ihre Heimat verlassen werden, ganze Areale werden tot und braun und können nicht mehr zur Erzeugung von Lebensmitteln genutzt werden. Die Kornkammern Indiens oder Russlands zum Beispiel. Das ist eine existentielle Angst. Viele Menschen haben Angst vor etwas, das vor 20 Jahren noch kein Thema war. Wenn man unsere politischen Führer ansieht, dann kommt man schnell zu dem Schluss, dass dies nicht die richtigen Leute sind, um dieses Problem zu lösen. In den USA haben wir Menschen, die regieren, die sich über dieses Problem lustig machen.

Ja, es gibt mehr Angst, es gibt mehr Angst vor dem Fremden. Menschen, die sich von der Gesellschaft verraten und vergessen fühlen, die nicht profitieren von den Versprechungen, die hoffnungslos sind und Angst um ihre Existenz haben, diese Menschen sind anfällig für derartige künstlich geschaffenen Ängste.

Auf der anderen Seite wiederum, gibt es auch Beispiele. Ich war kürzlich in Santiago, da sind Menschen, die ihre Angst verloren haben. In den Straßen sieht man Menschen, die keine Angst mehr vor der Regierung haben. Und nun haben die Politiker Angst. Es passiert, sehr selten, aber auch so etwas kann passieren.

Ihre Arbeiten bieten einen anderen, spannenden Zugang zu Themen, sie fesseln und zeigen Konflikte und Ängste aus einer ungewohnten Perspektive. Ihre Bücher Gaza und Palästina gewähren Einblicke in die Realität, wie kamen sie auf das Thema?

Ich kam auf dieses Thema, weil es mich immer beschäftigt hat. Als ich in den USA aufgewachsen bin, gab es immer nur die eine öffentliche Erzählung, dass Palästinenser immer Terroristen waren und sind. Immer wenn das Wort Palästinenser fiel, war es stets mit einem terroristischen Hintergrund. Als dann in den frühen 80er Jahren Israel im Libanon einmarschiert ist und Flüchtlingslager umzingelte, änderte sich das Bild. Damals fand das Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila statt, bei dem Alliierte Israels Zivilisten ermordeten. Als man die trauernden Frauen über die Leichen gebeugt gesehen hat, war das schockierend. Das war das erste Mal, dass ich dachte, hier ist irgendwas nicht richtig - die Palästinenser sind doch die Terroristen. Ich realisierte, wie die westlichen Medien, insbesonders in den USA darüber berichtete. Natürlich lieferten sie mir Fakten, ein Palästinenser entführte ein Flugzeug, tötete Menschen – das sind Fakten. Aber es gab eine Menge anderer Fakten über die nicht berichtet wurde und es gab auch keinen Kontext in dem man es hätte einordnen können. Langsam begann ich mich zu informieren. Ich lebte damals in Europa und Europäer hatten eine wesentlich ausgewogenere Berichterstattung zu dieser Thematik. Also beschloss ich mir vor Ort ein Bild zu machen.

Wie sind Sie bei Ihren ersten Recherchen vor Ort vorgegangen? War es lange geplant? Wie haben sie die Menschen gefunden?

Das erste Mal hatte ich keine Ahnung was ich tat. Ich war einfach vor Ort und habe mich in das nächstbeste Taxi gesetzt und bin von Ort zu Ort gefahren. Ich habe zufällig Menschen getroffen und Interviews gemacht. Bei "Footnotes on Gaza" war es anders, da wusste ich, dass ich einige Monate vor Ort bleiben würde, also musste ich Vorbereitungen treffen. Ich habe aber keinen professionellen Dolmetscher gesucht, sondern jemanden aus der Community, dem die Menschen vertrauen. Ich hatte nie Angst vor Palästinensern, Angst machten eher die nächtlichen Attacken von israelischer Seite. Ich habe immer den Menschen vertraut, die um mich waren. Sie waren ein guter Indikator was wirklich gefährlich werden würde und was nicht. Man hat immer eine Vorstellung was man vorfinden wird, aber dann stellt sich vor Ort heraus, dass es etwas komplett anders ist, was man entdeckt.

Warum kamen sie auf die Idee ihre Geschichten als Comic zu erzählen? Sie bezeichnen sich ja selbst als "Comic-Journalist"?

Es begann mit einem Buchprojekt mit einem Kollegen, den ich in Bosnien kennen gelernt hatte. Er schrieb eine Geschichte über Palästina und ich sollte die Illustrationen machen. Wir fragen alte Menschen nach ihren Erfahrungen und sie beschrieben uns ihre Geschichten. Als wir unseren Verleger die fertige Geschichte gaben, warf er diese historischen, persönlichen Erzählungen hinaus. Daher habe ich beschlossen, ich will noch einmal hin, recherchieren und ein Buch darüber machen und somit verhindern, dass diese Erlebnisse vergessen oder gestrichen werden. Geschichte ist das Fundament vieler Dinge. Das Fundament von Angst und Wut. Wut ist auch eine solch große Kraft in den weltweiten Konflikten.

Die Stärke ihrer Bücher liegt auch in den sehr intensiven Schwarz-Weiß-Bildern? Wie kamen sie auf die Idee in schwarz-weiß zu arbeiten?

In Wahrheit ist es ganz simpel – schwarz und weiß deshalb, weil ich nicht mit Farben arbeiten kann. Aber dann gibt es einen Zeitpunkt, wo man mit diesen Limitierungen zu leben lernt und das Beste daraus machen kann. Schwarz-Weiß fand ich immer sehr kraftvoll. Ich wuchs mit den Untergrund-Comics der 60er und 70er in den USA auf und in meiner Jugend mit dem MAD-Magazin, das ebenfalls schwarz-weiß war. Ich war es einfach gewöhnt. Das Großartige an Schwarz-Weiß ist, dass man nicht mehr braucht als einen Stift und einen Block, kein Photoshop oder spezielle Tinten. Es ist simpel und sehr demokratisch – man hat einen Stift und ein Stück Papier, das kann jeder.

Würden Sie, wenn Sie nicht zeichnen würden, andere Themen aufgreifen und anders an Dinge herangehen?

Wäre ich Regisseur würde ich mir dieselben Themen anschauen. Wäre ich Reporter, was ich sein wollte, ich habe Journalismus studiert, würde ich die gleichen Themen ansehen und auch als Bildender Künstler würde ich es ebenso machen. Aber ich bin eben ein Cartoonist und habe beschlossen meine Fähigkeiten in das Medium zu stecken und anzupassen, das ich gewählt habe. Es war alles sehr experimentell. Ich hatte keine Ahnung was ich tat und wie ich es tun sollte. Jetzt kann ich es aber benennen und erklären. Es fragen mich ja auch viele Menschen immer wieder danach, also muss man es auch erklären können.

Wieso der Fokus auf Kriegsgebiete und Krisenherde? Sie sind in Malta geboren, daher auch das Interesse an europäischen Themen – wie etwa den Konflikten am Balkan?

Ich bin Europäer, aus Malta. Die Geschichten meiner Eltern über die Kriegszeit handelten über Bombardierungen und Hunger. Malta wurde heftig attackiert. Wir sind nach Australien gegangen, das damals voller Migranten aus Europa war, die in Wellen nacheinander herkamen. Wir hatten lauter europäische Freude. Man traf Menschen aus Holland, Deutschland, England, aus der Ukraine, hat gemeinsam gegessen und geredet. Alle alten Leute hatten Kriegsgeschichten zu erzählen. Nicht von der Front, sondern von ihren Erlebnissen und den Leiden als Zivilisten. Diese Themen waren immer in meinem Kopf. Alle Menschen in meinem Alter sind mit den Schatten der Kriegsvergangenheit der Eltern im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen. Wir leben mit deren Erfahrungen aus dieser Zeit, die sie geformt haben – im Positiven, wie im Negativen. Die europäische Sichtweise war für mich sehr wichtig in Bosnien. Was damals passierte war ein Genozid, den man sich mitten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg so nicht vorstellen konnte. So nah zu Österreich und Deutschland. Ich lebte damals in Berlin und es erzählten mir viele Flüchtlinge was dort passierte. Dieser multiethnische Platz Sarajewo interessierte mich sehr. Dort trafen sich die Menschen, die untertags an der Front kämpfen, am Abend in den Cafes. Die Themen meiner Bücher waren die Fragen, wie Gesellschaften zusammenbrechen, wie Menschen mit Belagerungen umgehen.

Die Wunden dieses Krieges sind immer noch nicht verheilt und sind für Europa ein großes Problem.

Das ist absolut wahr. Ein großes Thema war in diesem Konflikt, dass Tito einfach einen Mantel über die ethnischen Konflikte in dem Land warf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die komplizierten Probleme und Konflikte unter den Teppich gekehrt. Tito stellte Brüderlichkeit und Einheit in den Vordergrund. Es hat in gewissem Sinn auch funktioniert. die Jungen wussten nicht mehr was im Zweiten Weltkrieg passiert ist. Und so fielen sie auch auf die einseitigen Erzählungen der populistischen Führer herein, die künstliche Ängste schufen und die dazu führten, dass die Angst über Hand nahm und man seinen eigenen Nachbarn nicht mehr traute.

Was würden Sie über Europa heute schrieben? Welche Themen interessieren sie gerade?

Ich habe Essays zu den Flüchtlingen in Malta gemacht. Migration interessiert mich. Ich könnte darüber auch weiterhin schreiben, aber ich bin gerade mehr in Süd- und Lateinamerika interessiert. Es interessiert mich, wie Menschen in Konflikten leben, leben wir doch andauernd in Konflikten. Ich gerade ein Buch über die indigene Bevölkerung in Kanada fertig gestellt. Es geht um Konflikte, Gewalt und den Umgang mit diesen Menschen. In den USA hat man die indigene Bevölkerung ermordet, in Kanada hat man sie in Schulen gesteckt, und hat ihnen ihre eigene Kultur und Herkunft geraubt. Am Ende stellt sich immer die Frage - Wer zahlt dafür, dass andere gut leben können? Es geht immer darum, dass jemand zahlen muss, und wer muss zahlen - es sind meist die Armen. Also auch ökonomischen Konflikte und deren Auswirkungen interessieren mich.

Haben Sie vor allen Themen noch Zeit durchzuatmen? Wie schaffen sie es von einem zum nächsten Thema zu kommen?

Ich beschäftige mich stets mit mehreren Themen. Bin ich bei einem Thema, denke ich auch schon an das nächste Auch wenn dann nichts herauskommt. Derzeit arbeite ich an meinem Rolling Stones-Buch. Dieses Projekt beschäftigt mich schon seit zehn Jahren. Aber es gab immer wieder andere Geschichten dazwischen zu erzählen. Es wird im Lauf der Zeit immer schwerer, die gewalttätigen Themen zu zeichnen. Ich brauche also auch was anderes. Es ist ein kompliziertes Buch. Es ist nicht alles Spaß daran, aber es ist einmal was anderes.

Also sind Sie im Kopf schon wieder längst auch woanders?

Nicht nur im Kopf. Ich war auch schon in Indien und habe recherchiert für ein Buch über einen Aufstand der 2013 in Indien stattfand. Ein kleiner, absurder Aufstand, darüber möchte ich auch einmal schreiben. Es wird ein Buch über Aufstände, aber jetzt gerade kann ich es nicht zeichnen. Ich denke es ist ein wichtiges Thema. Aber jetzt einmal die Rolling Stones.

Es scheint, dass Musik auch ein wichtiges Thema in ihrem Leben ist. So waren sie in den 80er Jahren längere Zeit mit einer Rockband unterwegs?

Ich wollte das nie wieder machen. Keine Tourplakate malen, keine T-Shirts designen. Alle die Indierocker in dieser Zeit waren kleine Haie, die gerne große Haie sein wollten. Es war dennoch sehr viel Spaß und ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Musik interessiert mich immer noch sehr, sie spielt eine große Rolle in meinem Leben, gerade auch beim Zeichnen. Musik gibt so viel Vergnügen. Und ich bin an diesen Dingen, die Vergnügen bereiten im Leben, sehr interessiert. Das sind so wichtige Aspekte der Menschlichkeit, wir können so stolz sein, dass es diese Momente gibt.

Wir leben in Zeiten der Täter, nicht der Opfer. Sie geben Opfern ein Gesicht oder geben Sie Konflikten Gesichter?

Ich bin werde immer auf Seiten der Opfer sein. Der Journalist Robert Fisk sagte einmal, dass er auf Seiten der Opfer ist, den sie schauen objektiv auf Dinge. Opfer verhalten sich nicht immer moralisch. Das finde ich interessant. Ich denke an ein Gemälde von Goya. Es heißt "Der 3. Mai 1808" und kommt auch im kommenden Buch vor. Es zeigt französische Soldaten, die spanische Zivilisten exekutieren. Man sieht dabei die Gesichter der Soldaten nicht, aber man sieht die Gesichter der Opfer. Der große Kunstkritiker Robert Hughes sagte dazu, dass sich Alles was Menschen und die ganze Menschlichkeit in den Gesichter der Opfer zeigt.

In vielen meiner Arbeiten habe ich versucht die Opfer zu zeigen, aber nun versuche ich die Täter auch bis zu einem gewissen Grad zu verstehen. Das bedeutet einen anderen Ansatz. Warum machen Menschen was sie machen und welche Geschichten erzählen sie sich selbst, über das was sie getan haben. Ich versuche die menschliche Psyche besser zu verstehen. Nicht die Seite des Psychopathen, sondern der gewöhnlichen Menschen die solche Verbrechen in Kriegszeiten begehen. Jeder kennt die Täter. Diese haben womöglich schwerwiegende psychische Probleme. Aber die Personen, die für mich schwerwiegen, sind jene die darauf ansprechen und reagieren, die normalerweise nicht gewalttätig oder Psychopaten sind. Die, die Angst vor dem Anderen und Unbekannten haben. Diese Menschen öffnen die Tore für größere Gruppen und weitere Angriffe und machen die Übergriffe und Attacken gesellschaftsfähig. Wir alle können so enden, wenn wir nicht aufpassen. Ich werde immer interessiert sein, was die Opfer zu sagen haben. Aber im Laufe der Zeit habe ich so viel dazu gemacht, dass ich nun auch andere Fragen stelle und mich auch andere Dinge interessieren.

Sie haben das Thema Klimaschutz und Angst erwähnt, was halten sie von Fridays for Future und Extinction Rebellion?

Die Leute erkennen, dass nur sehr wenige Politiker heutzutage, etwas gegen die Probleme tun oder tun wollen. Ich bin froh, dass die Menschen derartige Aktionen starten und machen. Es ist die einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit auf diese Themen und Probleme zu legen. Die Mächtigen werden diese Probleme nicht lösen, zumindest so lange nicht bis sich die Menschen entweder die Macht zu sich zurückholen oder aber die Mächtigen dazu bringen, zu handeln. Ich bin sehr dafür, dass es diese Initiativen gibt.

Inwieweit beeinflusst ihre eigene Biografie ihr Werk?

Ich glaube nicht, zumindest soweit ich mich selbst analysieren kann, dass ich es als ein psychologisches Werkzeug verwende, um mein Leben oder mich besser zu verstehen. Natürlich interessiert mich mein Ich, aber ich bin mehr interessiert, was draußen in der Welt und kollektiv passiert. Wir leben in einer Zeit, in der wir dazu ermutigt werden, sehr an uns zu denken, an unser eigenes Wohlbefinden und unsere eigene psychologische Gesundheit achten. Das ist wichtig, aber man kein sein eigenes Wohlbefinden nicht vom größeren Ganzen trennen. Aus der eigenen Blase zu kommen und die Welt zu sehen, das ist ebenso wichtig. Warum töten wir Menschen? Warum werfen wir Bomben auf andere? Diese Fragen sind elementar. Wie kann man sich unter den weltpolitischen Herausforderungen in der eigenen Blase verstecken und glauben, dass es einen nichts angeht. Für mich ist meine Arbeit daher auch eine Form von Widerstand, meines Widerstands.

Haben Sie jemals Angst? Vor den Konflikten, die sie sehen oder wurden sie selbst schon attackiert?

Man wäre ein Idiot wäre man unter gewissen Umständen nicht ängstlich. Auf der anderen Seite bin ich ängstlicher mich so zu verhalten, dass es meine Integrität zerstören würden. Ich bin sehr vorsichtig, ich bin kein Verrückter wenn ich draußen an gefährlichen Orten bin. Gerade Journalisten sind oft besonders gefährdet. Ich fühle Angst, wenn ich eine indigene Community besuche, nicht körperliche Angst, aber die Angst nicht mit ihnen richtig kommunizieren zu können. Dass sie nicht mit mir kommunizieren wollen, weil ich mich nicht adäquat verhalte und ich in ihre Welt zu stark eindringe. Ich habe immer die Furcht, dass die Menschen über die ich schreibe, nicht damit einverstanden sind. Ich will die Dinge richtig machen, mit der journalistischen Ethik richtig machen. Ich habe die Befürchtung, dass meine Arbeit falsch interpretiert oder ausgelegt werden könnte. Daher verwende ich auch immer die Aussagen anderer Menschen. Nicht ich sage diese Dinge, die Menschen sagen es selbst. Es sind Zitate, die helfen es verständlich zu machen und richtig abzubilden.

Sie haben Journalisten und die Gefahren erwähnt, denen sie ausgesetzt sind. Wie beurteilen Sie die Ermordung von Daphne Caruana Galizia auf Malta?

Was in Malta passiert ist sehr schockierend und entsetzlich. Man wollte hier ein Zeichen setzen. Hier wurde ein Exemple statuiert und eine Nachricht übermittelt. Das ist sehr bedrückend. Man sieht das auch bei Menschen, wie Edward Snowden. Er ist gefährlich für Mächtige. Glenn Greenwald ist gefährlich für das brasilianisches Machtgefüge. Ich bewundere diese Menschen. Ich bin bei weitem nicht so bedeutend und so gefährdet. Im schlimmsten Fall werden sich Leute beschweren, und meine Bücher werden nicht mehr verkauft.

Was verbinden Sie mit Österreich und werden Sie in Wien etwas Zeit haben, um die Stadt zu besuchen?

Ich war schon einmal in Wien. Diesmal werde ich mir das Freudmuseum ansehen. "Das Unbehagen in der Kultur" ist ein großartiges Buch. Er wird auch ein Charakter in meinem Stones-Buch sein. Überall wo ich bin, suche ich nach Bildern von Breughel. Es gibt in Wien ja eine großartige Breughel-Sammlung, die ich schon mal besucht habe, aber ich werde es nochmal ansehen.

Ich möchte einige Dinge über die Geschichte Österreichs erfahren und wissen. Die Phase gleich nach dem ersten Weltkrieg. Wien als das Zentrum in Europa, das Zentrum der Kultur. Wien ist immer noch großartig, aber du weißt und spürst hier ist noch eine Reflexion einer großen Geschichte. Ich bin immer an der Geschichte interessiert. Die Verbindung zu Österreich liegt auch im Wein. Ich war schon einmal mit meiner Freundin hier, sie hat eine Weinhandlung in Portland und wir haben eine einprägsame großartige Weintour gemacht. Das bleibt auch immer im Gedächtnis.

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