Spätestens, als beim Aufrufen der Zalando-Homepage ein Banner mit verhüllten Model-Gesichtern aufpoppte, war klar: Die MNS-Maske ist im Modealltag angekommen. Neben Sommerkleidern, bunten Sandaletten und klimperndem Statement-Schmuck wird man nun beim Online-Modeversand auch in Sachen Infektionsschutz fündig. Groß ist die Auswahl noch nicht, aber das wird sicher nicht mehr lange dauern. Denn dass die Gesichtsbedeckung wohl oder übel zum Sommer-Accessoire 2020 werden wird, damit beginnt man sich grummelnd abzufinden. 

Nachdem sich die Kundschaft mit den selbstgenähten und -gebastelten Masken ein paar Wochen in sehr unterschiedlichen Style-Niveaus durchgebracht hat, wird - nun da auch Produktion und Handel wieder anlaufen - die Nachfrage nach etwas Besonderem größer. Die Menschen und ihr Konsumverhalten ändern sich nun mal nicht so schnell, nicht einmal im Angesicht einer Pandemie.

Der in den Sozialen Medien verbreitete Aufmunterungsspruch: "Wenn du schöne Augen hast, dann ist jetzt dein Moment", verfehlt zwar kurz nicht seine Wirkung. Aber, ob mit oder ohne schöne Augen, wenn man schon das halbe Gesicht verdecken muss, wächst das Bedürfnis, dies mit einer gewissen stilistischen Würde zu machen. Politiker(innen) stimmen ihre Maskenfarbe mit ihrer Kleiderfarbe ab, in Österreich waren grüne Regierungspolitiker die Ersten, die mit elegantem Tuchwerk in Parteifarbe vor der Nase auftraten.

Keine Krisengewinnler

Die Modelabels haben freilich noch Skrupel, mit den verkauften Masken auch tatsächlich Umsatz zu machen. Zu groß ist die Sorge, dass einem Krisengewinnlerei vorgeworfen wird. Deshalb ist auch der Großteil der Masken, die auf Zalando erhältlich sind, mit dem Hinweis "Charity" gekennzeichnet. Der Nettogewinn, der durch diese Produkte erzielt wird, wird für wohltätige Zwecke gespendet. Die Onlineboutique Aboutyou betont wiederum, dass sie Masken zum Selbstkostenpreis verkauft: Auch hier haben sich die Stoffmasken schon ganz selbstverständlich in die Kategorie "Accessoires" eingereiht. Es gibt eine eigene Spezialkollektion, die von Influencern, Models und Designer kreiert wurden. Von TV-Liebling Guido Maria Kretschmer gibt es zum Beispiel eine mit Katzenschnäuzchen.

Das deutsche Unternehmen Jungfeld, das eigentlich auf Socken spezialisiert ist, hat eine besonders pragmatische Art der guten Tat: Mit jeder vergleichsweise hochpreisigen Maske, die man dort kauft - zum Beispiel mit dem Aufdruck "Smiling inside" -, kauft man zugleich eine zweite, die an jene gespendet wird, die sich keine leisten können.

Selbst Verkaufstalent Kim Kardashian verband ihre MNS-Initiative mit einer karitativen Aktion. Sie kündigte an, 10.000 Masken zu spenden - die gleichzeitig präsentierte Maskenkollektion ihrer Unterwäschemarke Skims war innerhalb von Minuten ausverkauft.



Das gibt übrigens der jüngst geborenen wienerischen Bezeichnung des "Nasentangas" eine ganz neue Bedeutung. Das gilt nebstbei auch für die Bikinilinie der italienischen Elexia Beachwear, die Maske und Badehöschen gekonnt kombiniert.



Leopard und Blume

Die "Vogue" half ihrer Klientel kürzlich durch die Krise mit einer Zusammenstellung der schönsten Masken. Leider schon ausverkauft ist die Kollektion von Prouenza Schouler, die pro Gesichtsaccessoire mit schlappen 100 Dollar zu Buche schlug - allerdings auch zugunsten der New Yorker Covid-Hilfe.

Wer gern ein bisschen mehr für seine Mund-Nasen-Bedeckung ausgeben will, kann aber auch in österreichische Designerinnen investieren. Im Shop von Marina Hoermanseder  gibt es den Leopard am Ohrgummiband für wohlfeile 35 Euro, dafür im passenden Baumwollbeutel. Den gibt es bei Lena Hoschek  nicht, dafür kommt die Maske im Blumendruck schon um 15 Euro.

Die Luxusmarken Louis Vuitton, Gucci, Chanel und ähnliche sind noch zurückhaltend. Sie stellten am Höhepunkt des Lockdowns zwar Masken her - allerdings für jene, die sie damals am dringendsten brauchten. Prada stellte die Produktion bereits Ende März um und startete mit der Produktion von 110.000 Atemschutzmasken für die Sanitäter der Region Toskana. Auch Armani verdiente sich so Meriten: Giorgio Armani spendete nicht nur zwei Millionen Euro für das öffentliche Gesundheitssystem Italiens, er produzierte auch in Fabriken, in denen sonst sündteure Jacken entstehen, Schutzmäntel für Sanitäter.

Wer sich derzeit mit einer Maske schmücken will, die das Logo eines Luxuslabels trägt, der kann sich auf der Kleinunternehmer-Plattform Etsy.com umschauen. Dort wurde man zu Beginn der Maskenpflicht als Erstes fündig, wenn man nicht selbst nähen konnte oder ein einschlägig talentiertes Umfeld hatte. Am 2. April verhundertfachte sich dort die Eingabe des Suchbegriffs "Face Mask" - neun Mal pro Sekunde wurde der Begriff gesucht. Die Verkäufe auf der Plattform haben sich im April verdoppelt, 12 Millionen Masken wechselten den Besitzer.

Eine Gucci-Maske war es allerdings, die wohl als nachgerade prophetisch in die Modegeschichte eingehen wird. Denn die trug Sängerin Billie Eilish zu ihrem gewohnt exzentrischen Outfit bei den diesjährigen Grammys im Jänner.

Noch früher dran war freilich Modeschöpferin Marine Serre, die bereits im September 2019 bei den Pariser Fashion Shows für Frühling/Sommer 2020 "vorhersah", was auf die Mode zukommen würde. In einer der Dystopie - auch in der Modewelt ein beliebtes Genre - zugeneigten Kollektion trugen die Models Gesichtsmasken, die eigentlich gegen Luftverschmutzung helfen sollten. Damals hätte man sich reißenden Absatz dafür eher nicht vorstellen können - außer im asiatischen Raum. Eine chinesische Designerin, Masha Ma, schickte etwa 2014 ihre Models mit Swarovski-verzierten Masken über den Laufsteg, die gingen auch in den Verkauf. Oft wurden Masken einfach wegen des verfremdenden Effekts als Beiwerk eingesetzt - etwa bei Gucci in der Herbst/Winter-Saison 19/20, in der stachelige Gesichtsverhüllungen aufrütteln sollten.

Und da wäre dann schon das Problem, das man bei aller Schickität der neuen Fashionmaske nicht übersehen sollte: Kann man die eh waschen?