Oh, nice one!", ruft Tim fröhlich zu seinem Kollegen Colin, nachdem eine Besucherin so lange an einer riesigen Maschine gekurbelt hat, bis ein Stahlteil darin zur Unkenntlichkeit verbogen wurde. Tim und Colin wirken wie junge Buben auf einem Spielplatz, dabei sind sie pensionierte Ingenieure und freiwillige - aber führende - Kräfte im Kirkaldy Testing Museum. Ihr Enthusiasmus ist bewundernswert: Colin ist hier immerhin seit mehr als 20 Jahren tätig, Tim sogar seit 35.

Auf massiven Holzböden thronen mächtige Maschinen - die dominierende ist ein fast 15 Meter langes, 116 Tonnen schweres Ungetüm, das mit Wasserhydraulik eine Kraft von bis zu einer Million Pfund, also etwa 450 Tonnen, erzeugen kann: die Universal Testing Machine.

Sie wurde in den 1860ern vom schottischen Ingenieur David Kirkaldy (1820-1897), dem Begründer des Testlabors an der Londoner Bankside, entwickelt. Die Konstruktion war kompliziert, und Kirkaldy meinte, ohne sein Zutun würde die beauftragte Firma nie fertig werden. Tim mutmaßt, er wäre ein "client from hell" gewesen, und Colin fügt hinzu: "Er meinte immer, alles besser zu wissen, und war wohl nicht der einfachste Mensch."

Colin mit der 15 Meter langen Universal Testing Machine. - © Charlotte Maconochie
Colin mit der 15 Meter langen Universal Testing Machine. - © Charlotte Maconochie

Kirkaldy hatte zuvor in einer Schiffswerft in Glasgow gearbeitet, wo er sich durch seine Akribie zum technischen Chefzeichner hocharbeitete. An den Wänden im Museum hängen Tabellen von Testergebnissen neben hochdetaillierten Konstruktionszeichnungen von Kirkaldy selbst, die künstlerische Qualitäten aufweisen und schon an der Royal Academy in London und im Louvre in Paris ausgestellt wurden.

1861 kündigte Kirkaldy - der, wie überliefert, nicht gerade umgänglichste Mensch - seine Anstellung und machte sich unabhängig. Neben seiner Universal Testing Machine, die er ratenweise abbezahlte und patentieren ließ, entwarf er noch eine Reihe weiterer Testmaschinen für Spezialangelegenheiten, die heute wie damals im weitgehend unveränderten Gebäude stehen. Mit ihnen ließen sich plötzlich sämtliche Bestandteile und Materialien auf ihre Belastbarkeit überprüfen: Säulen, Stützen, Verbindungselemente und Träger aus Beton, Baustein, Holz, Metall. Die Größe seiner Universal Testing Machine beruht auf der Notwendigkeit, nicht nur einzelne Teile, sondern ganze Komponenten zu prüfen. Was seine Tests nicht überlebte und sich spektakulär verformte, wurde im Obergeschoß archiviert: Dort kuratierte Kirkaldy sein "Museum of Fractures" mit bemerkenswerten Bruchstücken.

Fakten, keine Meinungen

Im Zuge der Industriellen Revolution, dem Zeitalter von Fabriken, Dampfkraft und Eisenbahnen hatte Kirkaldy die Notwendigkeit der standardisierten Überprüfung sämtlicher Materialien erkannt. Denn ohne Tests galt das Prinzip Versuch und Irrtum, das schon unzählige Opfer gefordert hatte: Eisenbahnbrücken stürzten ein, Kessel explodierten, Ketten rissen - und alles wegen Qualitätsmängeln, die man vermeiden hätte können.

Das Gebäude, in dem das richtungsweisende Forschungszentrum seit 1874 untergebracht ist, wurde extra gebaut, um gewaltige Maschinen, Stahlträger und Krankonstruktionen unterzubringen, die durch die Stockwerke ragen. "Wir benutzen seine Maschinen noch heute", sagt Tim, während er auf ein Stahlgerät klopft, "also sind manche schmutzig und ölig. Man sollte aufpassen, wo man anstreift." Als Besucher fühlt man sich hier ohnehin eher wie in einer Werkstatt als in einem Museum, wenn Ingenieure in Arbeitsoveralls ihr breites Wissen mit Schmäh praktisch vermitteln.

Kirkaldy hingegen hatte eher weniger Humor, war ein überzeugter und unabhängiger Einzelgänger, der aber durch seine Kompromisslosigkeit zahlreiche Leben rettete. Direkt über dem Eingang zu seinem Büro verewigte er sein Lebensmotto: "Facts not Opinions" ("Fakten, nicht Meinungen") - wer daran nicht glaubte, durfte sofort wieder umdrehen.

Wir testen . . .

Kirkaldy testete nicht nur neue Materialien, sondern analysierte auch Bruchstücke nach Unfällen: 1880 etwa hatte er Teile der im Jahr zuvor eingestürzten Tay Bridge in sein Testzentrum bringen lassen - und widersprach dem offiziellen Gutachten. Sein Urteil fiel wesentlich strenger aus als jenes, unter welchem die Brücke gebaut worden war: Die Stützen hätten 60 Tonnen tragen müssen - seine Testungen erwiesen eine Fähigkeit von nicht einmal 20 Tonnen. 75 Menschen, die in dem Zug gesessen waren, der im Einsturzmoment über den schottischen Fluss Tay fuhr, kamen ums Leben. Im Museum sieht man Notizen, die Kirkaldys Zorn über diese verlogene Geschichte offenbaren. Er wurde - nicht nur dafür - bezeichnet als "honest as the sun; outspoken and fearless as a Viking" (ehrlich wie die Sonne; offen und furchtlos wie ein Wikinger).

Kirkaldy prüfte sämtliche Objekte persönlich, Materialien aus aller Welt landeten bei ihm und wurden unerbittlich durchgetestet und bewertet. Die Resultate archivierte er in seinen Safes. Eines seiner Zertifikate zu erhalten, war kein Sonntagsspaziergang. Brückenkonstruktionen, die seine Testläufe durchliefen, stehen dafür allerdings noch heute: etwa die Eads Bridge (1874), die über den Mississippi in St. Louis führt, oder die Hammersmith Bridge (1887) über die Themse in London.

. . . und nehmen die Besten

Drei Familiengenerationen betrieben die Testwerkstatt mit maximal 20 Angestellten über 99 Jahre: Auf Gründer David Kirkaldy folgte sein Sohn William George Kirkaldy und schließlich der Enkel David William Henry Kirkaldy. Der Nachwuchs überprüfte etwa Bauträger für das Wembley Stadium (1923), die Ketten der Sydney Harbour Bridge (1932) und Bestandteile der ersten Passagierflugzeuge. Zusätzlich zu den großangelegten Tests kamen mit den Nachfolgegenerationen mikroskopische Untersuchungen hinzu.

1965 ging David Kirkaldys Enkel in Pension, bis 1974 arbeiteten andere Wissenschafter in seiner Testfestung weiter - doch dann machte der Traditionsbetrieb die Schotten dicht. Erst 1984 wurde er von engagierten Ingenieuren nach jahrelanger Vorbereitungsphase, finanziellen und bürokratischen Hürden als Museum wiedereröffnet. Man ist stolz auf den Museumspaten Kirkaldy, aber nimmt ihn mit gesundem Humor - denn ein Herzerl dürfte er nicht gewesen sein. Penibel und pedantisch korrigierte er sogar offizielle Lexikonbände handschriftlich, wie Tim und Colins schmunzelnd vorweisen. Doch trotzdem: Kirkaldy hat Testvorgänge systematisiert und ließ sich von keinem Geldgeber korrumpieren. Denn laut seiner Philosophie sind es keine Gefühlslagen, die übrig bleiben, sondern: Fakten, Fakten, Fakten.

Aber eben auch ein Nachruf, in dem David Kirkaldy verewigt wird als "the best hated man in London". Nun, auch das ist ein Faktum.