Kaum ein Land ist so homophob wie Uganda. Vor kurzem hat das Parlament des ostafrikanischen Landes ein noch härteres Gesetz gegen die LGBTQI+-Community beschlossen. Betroffene geraten in Panik, andere sehen absichtlich weg.
Mosher Stephanie ist dieser Tage nervös. "Ich muss wirklich hier weg", schreibt sie per WhatsApp. "Nichts ist gut hier." Sie befinde sich im Moment in einem Versteck, habe viele soziale Kontakte und ihren Job verloren. Mit ihren Eltern habe sie schon länger gebrochen. Als ihr Vater vor einigen Jahren Chats mit einem Liebhaber auf dem Handy entdeckte, fragte der: "Bist du schwul?" Zu antworten, dass sie in Wahrheit eine Transfrau ist, hat sich die heute 22-Jährige nicht getraut. Sie zog lieber aus.
Todesstrafe für "schwere" Fälle
Mit der neuen Gesetzeslage ist Mosher Stephanie praktisch eine Kriminelle. Ende März hat das ugandische Parlament ein Gesetz beschlossen, das es in sich hat. "Homosexuelle Handlungen" sind hier zwar schon lange illegal. Die neuen Regeln aber stellen sogar die Identifikation mit der LGBTQI+-Szene unter Strafe. Schon durch ihr Outing als Transperson drohen Mosher Stephanie nun 20 Jahre Haft. Medien, die im Land positiv hierüber berichten, machen sich ebenso strafbar wie Bildungsorganisationen, die hierüber aufklären oder Vermieter, die eine Wohnung vermieten.
In "schweren" Fällen werden "homosexuelle Handlungen" gar unter Todesstrafe gestellt - dies könnte auf Sex mit Personen zutreffen, die an HIV erkrankt sind, unter Drogeneinfluss stehen, eine Behinderung haben oder minderjährig sind. Kaum irgendwo sind die offiziellen Regeln derart homophob wie im ostafrikanischen 46-Millionen-Land. Und in der Hauptstadt Kampala sind die Entscheider offensichtlich stolz drauf. "Homosexuelle haben keinen Platz in Uganda", jubelte der Abgeordnete Musa Ecweru bei der Abstimmung. Dann wurde gemeinsam gesungen.
USA strichen bereits 2014 Hilfen
Die vom seit dreieinhalb Jahrzehnten regierenden Präsidenten Yoweri Museveni angeführte Politik hat damit ein fast zehn Jahre altes Vorhaben realisiert. Im Jahr 2014 wollte Museveni bereits Homosexualität - was Museveni auch als "ekelhaft" bezeichnet hat" - unter Todesstrafe stellen. Damals wurde das Gesetz aber vom Gericht einkassiert, weil es formale Mängel gegeben hatte. International für Empörung sorgte das Vorhaben damals trotzdem. Die USA strichen ihre Entwicklungshilfe im Land. Davon ließ sich die Regierung aber nicht beeindrucken.
Denn nach Anschauung von Präsident Museveni sowie diverser der im Land mächtigen Kirchen ist die LGBTQI+-Bewegung westlicher Kulturimperialismus. "Afrikanische Werte" seien damit nicht vereinbar, so hat es nicht nur Museveni wiederholt erklärt. Paradox dabei: Gut 80 Prozent der ugandischen Bevölkerung sind christlichen Glaubens, gehören also einer durch den britischen Kolonialismus verbreiteten Religion an. In Religionsfragen wird allerdings kaum mit Kulturimperialismus argumentiert, beim Thema Sexualität dagegen immer wieder.
Wer vom neuen Gesetz betroffen ist, ist nun in akuter Gefahr. Schon über die vergangenen Jahre wurden immer wieder Treffen durch die Polizei aufgelöst, wenn diese eine Vereinigung der queeren Community vermutete. Vor rund einem Jahr wurde ein geplantes Gay-Pride-Event in letzter Minute durch die Polizei verhindert. "Menschen verlieren jetzt ihre Jobs, werden aus ihren Wohnungen vertrieben. All das passiert wirklich", sagt Ramathan Kaggwa, der Gründer einer Kirche, die auch Personen, die nicht heterosexuell sind, willkommen heißt und den Segen ausspricht.

Die Adonai Christian Ministries, wie sich die Untergrundkirche nennt, ist selbst immer wieder mit existenziellen Problemen konfrontiert gewesen - und mit dem neuen Gesetz unmissverständlich in der Illegalität gelandet. "Immer, wenn ein Vermieter herausgefunden hat, was wir tun, wurden wir rausgeworfen", berichtet Ramathan Kaggwa. "Polizisten haben Pistolen auf uns gerichtet!" Dabei sagt Kaggwa: "Man kann doch nur kriminell sein für das, was man tut, und nicht für das, was man ist." Und aus religiöser Perspektive fügt er hinzu: "Jesus ist doch auch für uns am Kreuz gestorben." Es sind Stimmen, die in Uganda künftig wohl kaum noch Gehör finden werden. Bildungsinstitutionen dürfen sich jedenfalls nicht wohlwollend über sexuelle Diversität äußern. Schon im Januar kündigte die Regierung eine Untersuchung von Schulen an, die sich angeblich allzu tolerant verhielten. Anita Among, Sprecherin des Parlaments, sagte über einen demnach schwulen Lehrer und dessen mutmaßliches Verhalten: "So töten wir unsere Moral". Die Familie müsse geschützt werden, alles Nicht-Heterosexuelle widerspreche diesem Ideal.
Berichterstattung verboten
Auch Medien sind vom neuen Gesetz arg betroffen. Offiziell herrscht in Uganda zwar Pressefreiheit. Befürwortende Berichterstattung aber ist verboten - wobei es Auslegungssache ist, was dies genau bedeutet. So herrscht unter Journalistinnen nun auch Nervosität. Der Ugandische Journalistenverband, der in anderen Zusammenhängen bisher durchaus die Lage im Land kritisiert hat, will sich zu diesem Thema nicht äußern. Man kenne das Gesetz im Detail nicht, heißt es.
Genau kennen es diejenigen, die in erster Linie betroffen sind. Und unter ihnen herrscht der Wunsch, das Heimatland zu verlassen. "Ich werde jeden Tag gefragt, wie man fliehen kann", sagt Ramathan Kaggwa, der Pastor. Auch Mosher Stephanie würde am liebsten die Flucht ergreifen. Nur wissen sie nicht wie. "Sobald wir geoutet sind, verlieren wir unsere Jobs. Wir hungern, viele von uns leben auf der Straße", so Kaggwa. Um die lange und gefährliche Fluchtreise anzutreten, braucht es Geld. Und daran fehlt es immer mehr von denen, die anderswo wohl den Status als Flüchtling erhalten würden.