Die "Wickler" waren früher in der Produktion von Autoreifen spezialisierte Arbeitskräfte. Ihre zentrale Stellung in der Fertigung befähigte sie, die gesamte Produktionskette lahmzulegen.
So ist es im Jahr 1978 im niederösterreichischen Traiskirchen geschehen: Im Werk von Semperit wurde die Produktion umgestellt, wodurch sich die Tätigkeit der Wickler im Produktionsprozess veränderte. Ihre Zulagen sollten gestrichen werden. Erst mit Verhandlungen unter Beteiligung der Bundesregierung gelang es, einen Kompromiss auszuverhandeln und die vierwöchige Arbeitsniederlegung zu beenden.
Der Streik in Traiskirchen ist nur eines von vielen Beispielen, welche die Sonderausstellung in St. Pölten dokumentiert. Im Haus der Geschichte wird seit wenigen Wochen dargestellt, "wie der ländliche Raum die soziale und politische Entwicklung der letzten 170 Jahre geprägt hat". Man wolle damit eine Geschichtsschreibung ergänzen, in der das Land "als politisch passiv und von Entscheidungen in den Machtzentren abhängig betrachtet" wird.
Stattdessen werden zahlreiche Ereignisse nachgezeichnet, bei denen die niederösterreichische Bevölkerung auf die eine oder andere Weise gegen die Obrigkeiten aufbegehrte: Beispielsweise führte die Kündigung einer seit 20 Jahren beschäftigten Zigarettendreherin in einer staatlichen Tabakfabrik in Krems-Stein im Jahr 1886 zum Aufruhr ihrer Kolleginnen durch "Schreien, Fluchen, Poltern und Aufschlagen mit den Werkzeugen".
Vielfältiger Aufruhr
Sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam es 1920 im Bezirk Melk. Bäuerinnen und Bauern weigerten sich, den aufgrund der Lebensmittelknappheit verordneten günstigen Abgaben von Nahrungsmitteln nachzukommen. Als die Volkswehr diese eintreiben wollte, wurden die staatlichen Organe durch die aufgebrachte Bevölkerung angegriffen.
Bekanntermaßen viel gewaltfreier ging es hingegen bei der Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 zu: Umweltschützer verhinderten die Errichtung eines Wasserkraftwerks an der Donau, was anders als der Großteil der porträtierten Widerstandsaktionen, in die Populärgeschichte Österreichs einging. Bis heute beziehen sich politische Bewegungen auf die Wochen der Blockaden in der winterlichen Aulandschaft.
Kaum bekannt aber ist der Streik von 54 Landarbeitern und Landarbeiterinnen nahe Bruck an der Leitha im Jahr 1926. Sie protestierten gegen die Kündigung eines Vertrauensmannes im Nachbarort. Überhaupt wehrten sich die Arbeitsmigranten aus der damaligen Tschechoslowakei immer wieder mit Arbeitsniederlegungen, Bummelstreiks oder Fernbleiben gegen ihre harten Arbeitsbedingungen. Während bei den Betriebsinspektionen oft ein Auge zugedrückt wurde, bestrafte man jedes Vergehen der Bediensteten mit Aufenthaltsverboten oder Geldstrafen.
Die vom Team des Haus der Geschichte erarbeitete Ausstellung beleuchtet aber nicht nur wenig bekannte Kämpfe der Landbevölkerung gegen ihre Obrigkeiten, sondern auch die Vielfalt ihrer Protestmethoden. So etwa die Wilderei im Raum Guten-
stein als Widerstand gegen ein Ende des 19. Jahrhunderts erlassenes Jagdpatent. Es verbot den Kleinbauern die Jagd auf Wildtiere, während die Großgrundbesitzer zu den einzig legitimierten Jägern aufstiegen.
Kunstvoll illustriert
"Aufsässiges Land" urteilt nicht über die Legitimität von unterschiedlichen Protestmethoden, stellt aber den gesellschaftspolitischen Rahmen des widerständigen Handelns dar. Dies liefert spannende Einblicke in die oft nicht unumstrittene Rolle der Sozialdemokratie, genauso wie die instrumentelle Förderung von Protest durch die Volkspartei in der Opposition zur "größten Bauerndemo der Zweiten Republik".
Kunstvoll gestaltete Illustrationen von Lenz Mosbacher bilden das Rückgrat von "Aufsässiges Land" und führen im Stil einer Graphic Novel durch die durchaus dichte Dokumentation einer oft vergessenen Protestkultur. Klassische Anschauungsobjekte wie historische Aufzeichnungen, Werkzeuge, Flugblätter oder Nachrichtenclips runden den Museumsbesuch ab und machen die Sonderausstellung zu "Streik, Protest und Eigensinn" zu einem lohnenden Besuch in St. Pölten.