"Heut morgen ist mir die Zunge in den Rührfix gekommen, gestern Abend ist mir das Seifenpulver in die Rühreier gefallen und vorgestern . . . na ja." Das erzählt Donald Duck einmal, betrübt einhertrabend. Das Glück ist dieser Ente so gut wie nie hold. Nicht so wie seinem Cousin Gustav, dieser eitlen Gans. Und doch fliegen alle Sympathien seit je her dem grantigen bis jähzornigen Donald zu, wer ein Fan von Gustav Gans, diesem pomadigen, gutgelaunten Glücksträhnenreiter ist, wird sofort mit Generalverdacht versehen. So gesehen haben Donaldisten längst antizipiert, was zwei Bücher in seltsamer Einigkeit fordern: das Recht aufs "Unglücklichsein" beziehungsweise auf "Miese Stimmung".

Wenn es nach dem deutschen Philosophen Wilhelm Schmid und dem Psychotherapeuten Arnold Retzer geht, sollte das sich unter der Last der guten Tipps biegende Regal der Lebenshilfebücher um ein neues Genre erweitert werden. Weg von "Sorge dich nicht, lebe!" zu "Ich bin grantig und das ist gut so". Wer also derzeit am Jännerblues laboriert, der kann die Infrarotlampe wegräumen und sollte die Niedergeschlagenheit so richtig zelebrieren.
Diktatur des Glücks
Philosoph Wilhelm Schmid etwa postuliert in seinem Büchlein "Unglücklich sein. Eine Ermutigung" (Insel) also: "Kein Mensch kann sich immer nur freuen." Er wendet sich gegen eine drohende "Diktatur des Glücks", in der eine "Quasi-Religion des positiv Denkens" vorherrscht. Schmid stellt da reichlich lapidar fest: "Gläser sind nicht immer nur halb voll oder halb leer, sondern gelegentlich auch ganz leer." Nun ist das unbestreitbar richtig, aber ein Philosoph gibt sich nicht mit Allgemeinplätzen allein zufrieden. Er analysiert etwa, dass die Wirtschaftskrise eine Folge des verdammenswerten positiven Denkens ist. Da ist er ganz auf einer Linie mit Arnold Retzer, der in seinem Buch "Miese Stimmung. Eine Streitschrift gegen positives Denken" (S. Fischer) gegen die Hoffnung polemisiert. Wer Hoffnung hat, der sei nur schlecht informiert: Nur die Hoffnung habe uns in die Finanzkrise schlittern lassen - die "Hoffnung auf den schnellen Reichtum" sowohl der Spekulanten (besser informiert) als auch der einfachen Hypothekenzahler (schlecht informiert).
Fürchtet Euch doch!
Retzer findet, würden wir alle wieder ein bisschen mehr Angst haben und uns mehr Sorgen machen, ginge das Nachdenken und Informieren damit einher und schließlich könnte trotz schlechter Laune dazwischen am Ende doch nochmal alles gut ausgehen. Denn: "Die Furchtlosen haben die Evolution nicht überlebt."
Wilhelm Schmid wiederum sagt nicht nur, dass die Zufriedenheit als Lebensziel heillos überschätzt werde, er zeigt auch auf, dass die Jagd nach dem Glück ihre Gefahren birgt: Wer glaubt, er könne den Sinn im Leben durch Glück ersetzen, sei auf dem Holzweg. Und alles für das Glück zu tun, kostet auch alle Kräfte, was schließlich ins Burn-out führe. Und der Mensch wird zum "Opfer seiner Lustwut".
Schmid gibt auch zu bedenken, dass Zufriedenheit und vor allem Selbstzufriedenheit jede Entwicklung lahmlegen, wer immer glücklich ist und positiv denkt, verhindert berechtigte Kritik, wenn etwas schiefgegangen ist. Ähnlich argumentiert auch Retzer, der Robert Musils "Wir irren vorwärts" zitiert: Fehler, die gemacht wurden, die man aber nicht analysiert, könne man in der Zukunft wohl auch nicht vermeiden. Da hilft all das positive Denken nichts. Und schließlich würde es auch zu einer massiven Entspannung führen, wenn man einfach mal einsehen würde, dass es auch unlösbare Probleme gibt.
Nachdenklich stimmt allerdings Retzers Suada gegen Antidepressiva, die "chemische Keule", die Depressiven wieder zu guter Stimmung verhilft. Ob es so einfach ist, wie er meint, durch Wut und Tränen die "mentale Verstopfung" Depression zu lösen, ist eher zweifelhaft. In einer Zeit der ewigen Optimierbarkeit ist es freilich auch erfrischend, wieder die Möglichkeit zu erkennen, dass man nicht alles erreichen muss. Da würde wieder Wilhelm Schmid nicht zustimmen, denn dann wäre man ja zufrieden. Sein Plädoyer gilt der Melancholie. Depression und Melancholie sieht er als Erholung von der Lebensfreude. Und er spricht dem Melancholiker erstaunliche Fähigkeiten zu: Er neigt nicht zu Revolutionen für sich allein, aber wenn eine Verbesserung für andere möglich ist, dann nimmt er die Anstrengung auf sich. Immer den Misserfolg im Auge. Und das klingt jetzt fast schon wieder hoffnungsvoll.