Ende April 2010 erhielt Viktor Orbáns rechtsnational-konservativer Bund Junger Demokraten, Fidesz, bei den Wahlen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Seitdem hat der Regierungschef Ungarn radikal umbauen lassen - auch im Kulturbereich. Viele Künstler, Intellektuelle und gut ausgebildete junge Leute verlassen das Land, weil sie keine Existenzmöglichkeiten oder Perspektiven für sich sehen oder das kulturpolitische Klima unerträglich finden.
In drei Wochen, am 6. April, wird erneut in Ungarn gewählt. Der Urnengang wird international mit Sorge betrachtet, die politische Lage hat sich zugespitzt: Die Sozialpolitik der Orbán-Regierung hat viele Menschen weiter verarmen lassen, große Teile der Gesellschaft haben mit existenziellen Problemen zu kämpfen. Meinungsforscher schätzen, dass etwa jeder vierte ungarische Wähler rechten Parteien zugewandt ist.
Derzeit sind, auf Einladung des Burgtheaters, drei freie ungarische Theatergruppen in Wien zu Gast. Einer der Höhepunkte des Schwerpunkts "Szene Ungarn", die Premiere von Béla Pintérs "Szutyok" ("Miststück"), findet heute, Mittwoch, im Akademietheater statt.
Zudem wurde im Theater Brett soeben Krisztián Grecsós "Das Schicksal der Anderen" uraufgeführt und im Landestheater St. Pölten inszeniert der ehemalige Intendant des Budapester Nationaltheaters, Róbert Alföldi, "Meine Mutter, Kleopatra", eine Bearbeitung von Attila Bartis bemerkenswertem Wenderoman "Die Ruhe". Premiere ist am 29. März.
Diese Theaterarbeiten sowie eine vom Burgtheater organisierte Podiumsdiskussion liefern eine Momentaufnahme der gegenwärtigen ungarischen Theaterlandschaft: Wo steht sie künstlerisch? Was sind wichtige Themen und drängende Probleme?
Kein Freund, kein Geld
Kürbisse, Säcke randvoll mit Erdäpfeln und handgewalkter Nudelteig sind Bühnenbild und Requisiten in Csaba Horváths Inszenierung von Ágota Kristófs berühmten Roman "A nagy füzet"("Das große Heft"). Mit tiefgefrorener Sprache erzählt die Autorin darin von den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs.
Auch auf der Bühne wird gemordet, geprügelt, vergewaltigt, gestorben, so unaufgeregt und nebenbei, wie man Kartoffelsuppe löffelt oder Brennholz ins Haus schleppt. Die überaus beeindruckende Inszenierung der Budapester Forte Compagny hat vergangenen Freitag die Ungarn-Woche im Kasino eröffnet.