Wien. Die Kulturnation Österreich stehe vor dem Untergang. Der Zugang zu Kultur würde erschwert. Die Einbußen bei künstlerischer Qualität seien unvorhersehbar. Es ging ein Aufschrei durchs Land als die Bundesregierung im Rahmen der Steuerreform verlautbarte, Kultur-Institutionen müssen künftig 13 statt bisher nur 10 Prozent Umsatzsteuer abführen.
Am 1. Mai 2016 tritt die neue Regelung nun in Kraft. Und es ist still geworden um diesen Punkt der Reform. Scheinbar jedoch nicht nur, weil sich Kulturschaffende mit den Mehrbelastungen abgefunden haben und sie einfach als Erhöhung der Kartenpreise an die Konsumenten weitergeben. Der Gesetzgeber sieht wie bei vielen Gesetzen eine Ausnahme vor. Und die könnte sich als die neue Regel etablieren. Dadurch würde sich das neue Gesetz selbst ad absurdum führen.
Steuerlich weiterhin nur mit zehn Prozent Umsatzsteuer belastet bleiben nämlich sämtliche Institutionen, die gemeinnützig geführt werden. Große Institutionen wie die Salzburger Festspiele haben bereits erklärt, sich auf dem "Weg in die Gemeinnützigkeit" zu befinden. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler: "Wir haben um diesen Status nie angesucht, obwohl wir selbstverständlich immer gemeinnützig waren und nie Gewinn gemacht haben." Sie nimmt an, auch weiterhin 10 Prozent Umsatzsteuer zu bezahlen.
Gewinnlosigkeit als Bedingung
Die prinzipielle Gewinnlosigkeit ist für den Steuerrechtsexperten Werner Doralt der zentrale Punkt auf dem Weg in den steuerlichen Ausweg: "Jede bisher privat geführte kulturelle Institution kann seine Gemeinnützigkeit deklarieren. Und in den eigenen Satzungen entsprechend festschreiben." Eine Möglichkeit, die nicht ungenutzt bleiben wird.
Dass es für die Ausnahme von der neuen Regelung nicht notwendig sei, ein gemeinnütziger Verein zu werden, bestätigt auch das Finanzministerium: "Die Begünstigung ist generell unabhängig von der Gesellschaftsform." Auch eine GmbH oder AG können demnach gemeinnützig geführt sein. Zentral ist auch aus Sicht des Gesetzgebers, dass eine Institution klar "nicht auf Gewinn ausgerichtet" sei. Und im Statut der Zweck klar und verständlich dargestellt werde. "Überschüsse sind zeitnahe für den begünstigten Zweck zu verwenden, es darf kein Vermögen in unangemessener Höhe angesammelt werden."
Keine unerfüllbaren Vorgaben für heimische Kulturschaffende. Denn ein Großteil der Kulturinstitutionen kämpft derzeit eher um die Erhöhung von Subventionen als um etwaige Gewinnmaximierung. Da die Häuser meist jeden erwirtschafteten Euro in den laufenden Betrieb oder maximal in das Budget der nächsten Saison stecken, könnte die Liste derer, die künftig steuerlich gemeinnützig geführt werden, lang werden. Die Liste derer, für die die neue steuerliche Regelung dann noch gilt, dagegen kurz ausfallen.
Den Konzert- und Eventveranstalter LSK etwa trifft die neue Regelung. Das Unternehmen steht hinter populären Veranstaltungen mit großen Namen und ist ganz klar gewinnorientiert. Die zusätzlichen drei Prozent Umsatzsteuer werden hier über höhere Kartenpreise hereingeholt.
Im Bereich der Hochkultur, also bei Theatern, Museen oder Klassik-Festivals sind meist nur die Buffets gewinnorientiert. Hier sieht Werner Doralt die Möglichkeit, eine entsprechende Ausnahme zu beantragen. Oder die Bereiche gegebenenfalls einfach auszugliedern, um den Status der Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren.
Viel Arbeit für Juristen
Die Rechtsabteilungen der heimischen Kulturbetriebe haben jedenfalls viel zu tun derzeit. Auch andere große Institutionen wie etwa die Bundestheater prüfen gerade, wie und ob sie von der Ausnahme im neuen Gesetz profitieren können. Auch bei den Vereinigten Bühnen Wien ist diese Prüfung noch im Gange. Man ist optimistisch: "Wir sind gemeinnützig. Und gehen davon aus, dass wir auch weiterhin nur 10 Prozent Umsatzsteuer abführen werden müssen." Im Finanzministerium kann man derzeit keine erhöhte Anfrage nach dem Status der Gemeinnützigkeit verzeichnen.
Neben großen Häusern sind auch kleinere Kunstbetriebe betroffen. Bei ihnen ist das Wort Gewinn meist nicht einmal ansatzweise Thema. Mit dem Einsatz von privaten Geldern und dem Verzicht auf die eigene Gage, steht etwas anderes im Mittelpunkt: der Kampf ums Überleben.