Wien. Die Lage ist exklusiv, der Stephansdom in Blickweite: Lange stand ein Zeitungskiosk an der Einmündung der Spiegelgasse in den Graben. Er gab seinem Nachfolger die Maße vor: 4,80 Meter lang und 2,40 Meter breit ist der Würstelstand "Zum Goldenen Würstel". Er hebt die Dichte und das Gestaltungsniveau der Würstelstände in der Inneren Stadt nicht unbeträchtlich. "Innerhalb von 12 m² Fläche und unter 2,80 Meter Höhe braucht man keine Baugenehmigung", sagt Johanna Schuberth vom Architekturbüro Schuberth & Schuberth, die damit zum vierten Mal ein tradiertes Wiener Stadtutensil zeitgemäß neu interpretierten. "Es ist unser schönster! Eine funkelnde Brosche in der Stadt", jubiliert die zarte Innenarchitektin. "Die Grundidee war der umlaufende Rahmen aus Edelstahl."
In Anbetracht des kleinen Volumens und exquisiten Bauplatzes waren Johanna, ihr Bruder Gregor und Designer Markus Filgut besonders gefordert, den Raum maximal funktional zu beplanen. Hier sitzt jedes Detail. Die schwarzen Stahlrahmen, die am Boden aufsetzen, tragen die kleine Box, die goldenen, die um das Dach mäandrieren, bilden eine optische Fassung um die auskragenden Glasdächer. Außerdem gibt es ein ausgeklügeltes Beleuchtungskonzept und schwingt sich ein Tresen aus Kunststein um den Stand, der weißem Marmor täuschend ähnlich sieht. Selbstredend geht er nahtlos in die Arbeitsplatte der Küche im Inneren über. Am eindrucksvollsten sind die schichtenweise mit speziellen Folien aufeinander geklebten Glasplatten, die auf der Schauseite am Graben gleichermaßen die Auslage rahmen, hinter der ein Experte am Grill hantiert.
Kaskadenartig gleitet das Glas vom Tresen abwärts und schafft so auf ästhetische Weise Beinfreiheit. Meist schillert es smaragdgrün, LED sei Dank, kann es auch lila und pink schimmern.
Der Anspruch war XXL: Ideell orientierte sich der Entwurf am Tickethäuschen von Carlo Scarpa in den Giardini von Venedig, dazu kommt eine Nachbarschaft, die verpflichtet: Das denkmalgeschützte Haus des ehemaligen k.u.k. Hoflieferanten E. Braun & Co. schmückt das eine Eck von Spiegelgasse zu Graben, das Haus mit Nummer zwei gegenüber ist von Otto Wagner. Funktionell hatte der kleine Stand alle hygienischen Auflagen eines komprimierten Hochleistungs-Gastronomiebetriebs zu erfüllen. "Eigentlich ist es die österreichische Fast-Food-Variante", so Johanna Schuberth. "Es ist ein Nahversorger für billiges Essen und eine Gesellschaftstankstelle für die Großstadt", ergänzt Gregor. Mit Öffnungszeiten bis in die frühen Morgenstunden. Logistisch heißt das: Schnell muss es gehen, der Kunde darf nicht lang warten, das Personal sollte zu zweit oder allein alles optimal in Griffweite haben. Deshalb ist das Schiebefenster für Bestellung und Ausgabe der Ware an der Längsfront in der Mitte positioniert, wo auch die Kassa steht. Am Eck die Grillplatte, daneben Senf und Ketchup, im Rücken die Getränke, alles im Blick des Bestellers.