"Game of Thrones" ist in Gefahr. Die Recken erzittern und die Flügel der Drachen hängen schlaff. Eben noch spien sie Feuer, in Zukunft müssen sie vielleicht mit einem Zündholz vorliebnehmen. Der Brexit ist der neue Feind. Und gegen ihn ist kein Kraut gewachsen und kein Schwert geschmiedet worden. DieTV-Serie wird zum Teil in Nordirland gedreht und profitiert massiv von EU-Förderungen.

Wanken die Throne? Haben sie gar ausgespielt?

Was man über die Auswirkungen des Brexit auf die Kultur mit Sicherheit sagen kann, ist seriöserweise - nichts. Es gibt kein Modell. Der Brexit ist ein völlig neues Szenarium. Man kann nur vermuten und Modelle entwerfen. Zum Beispiel: Großbritannien ist Netto-Zahler. Genügen die ersparten Gelder, um Kunst, Kultur und Wissenschaft aufzufangen? Um die nationale Wissenschaftsförderung wird man nicht herumkommen. Will es sich Großbritannien leisten, um diesen Preis seine Kunst und Kultur finanziell auf Diät zu setzen?

Einzelnen Bereichen kann das gleichgültig sein: Brit-Pop war schon bisher ganz ohne EU ein Selbstläufer. Romane und Sachbücher britischer Autoren werden weiterhin übersetzt werden, auch damit hatte die EU nichts zu tun, sondern die Qualität von Autoren wie Peter Ackroyd oder Ian McEwan. Auf Auftritte des Dirigenten Simon Rattle oder des London Symphony Orchestra wird man nicht verzichten müssen. Die Kultur findet immer einen Weg. Selbst die strafboykottierten Russen sind kulturell mit Putin-Befürwortern wie Anna Netrebko und Valery Gergiev in EU-Ländern präsent.

Spüren werden es die Briten vermutlich auf andere Weise: Etwa, wenn ihre Künstler für ihre Auslandsengagements Arbeitsgenehmigungen brauchen und ihre Komponisten nicht mehr EU-weit frei ihre Verwertungsgesellschaft wählenkönnen. Es wird Auswirkungen auf die kleineren Kulturinitiativen geben, die von EU-Förderungen profitierten und jetzt um nationale Förderungen kämpfen müssen.

Geistige Klimaveränderung

Führende britische Künstler hatten vor dem Brexit gewarnt: Die Autoren John le Carré und Ian McEwan etwa, der Architekt David Chipperfield, die Modeschöpferin Vivienne Westwood. Ihnen ging es vor allem um das geistige Klima. Nicht, dass Großbritanniens Kultur nun abgeschottet wäre - und selbst wenn: Für britische Künstler war die geistige Splendid Isolation oft befruchtend. Benjamin Britten blieb inmitten eines avantgardistisch dominierten europäischen Klassik-Mainstreams der Melodie treu, Julian Barnes und Ian McEwan erzählten - und erzählen - ihre Geschichten fern aller kontinentaleuropäischen Nabelschauen, Francis Bacon verweigerte sich dem Abstraktions-Postulat der Nachkriegs-Malerei. Sagte ein britischer Kritiker einem britischen Künstler den Anschluss an die geistigen Strömungen Kontinentaleuropas nach, war das keineswegs immer als Kompliment gemeint.

Dennoch: Ein weltoffenes Land gedeiht in einem anderen geistigen Klima als ein Nationalstaat - und Künstler sind die Seismografen dieses geistigen Klimas. Wird die britische Kunst wieder nationaler werden? Wird man das außerhalb Großbritanniens eher naserümpfend zur Kenntnis nehmen oder als "typisch englisch", also irgendwie liebenswert schrullig, lieben? Ein Prophet, der es jetzt mit Sicherheit sagen könnte.

Vorerst, sagt Catherine Mansons vom Auktionshaus Christie’s, gilt "Business as usual", und die Galeristin Pilar Ordovas meint, dass Sammler sammeln wollen und sich kaum um die EU-Nichtzugehörigkeit kümmern werden.

Erst einmal die Drachen Drachen sein und den Thron wackeln lassen, solange es nicht jener der Queen ist, und eine Tasse Tee trinken, das scheint in Großbritanniens Kunstszene angesagt. Schon zu EU-Zeiten war das eine durch und durch britische Haltung.