"Wiener Zeitung": Erst kürzlich hat Außenminister Kurz Sie in Ihrem Berliner Atelier besucht. Wie kam das?
Marina Hoermanseder: Sebastian Kurz hat mir schon Ende 2016 geschrieben, dass er meinen Weg verfolgt. Seine Assistentin ist auch eine treue Kundin. Er hatte an dem Tag Termine in Berlin, wir waren der letzte. Ich denke, der Besuch im Atelier war wohl recht erfrischend, ich rede ja auch, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Er hat viel nachgefragt, wollte sich dann auch nützlich machen und hat sich an den Lederblumen für die Casper Bag probiert.
Sehen Sie sich noch als österreichische Designerin oder schon eher als deutsche oder internationale?
An dem Tag, an dem ich als Halb-Österreicherin, Halb-Französin in Neu-Delhi in der deutschen Botschaft am Tag der deutschen Einheit die Stadt Berlin mit einer Show repräsentieren durfte, habe ich für mich entschieden, dass ich europäische Designerin bin.
Ihre Show zählt zu den Highlights der Berliner Fashion Week. Mit Paris oder New York könnten Sie locker mithalten. Zieht es Sie in eine der Fashion-Metropolen?
Vielleicht ist das eine blöde Eigenschaft, aber ich bin halt ein sehr loyaler Mensch. Und vor drei Jahren war es die Berliner Fashion Week, die mir die Chance gegeben hat, meine erste Kollektion auf Basis von sechs Looks, die ich auf der Uni gemacht habe, zu zeigen. Ich bin hier heute im German Fashion Council vertreten. Ich möchte mir nicht drei Jahre in einer Stadt etwas aufbauen, um dann wegzugehen und wieder etwas Neues anzufangen. Paris kommt für mich sowieso nicht in Frage, dort interessiert man sich nur für Mode aus Frankreich. In New York planen wir eine Ausstellung mit den Showpieces der letzten Kollektionen.
Ist der Standort als Designer heute überhaupt noch wichtig?
Nein, ich muss mir das nur auf Instagram anschauen, da ist höchstens ein Drittel meiner Follower aus Deutschland, ich kriege Nachrichten aus Kolumbien oder Mexiko. Zum Beispiel Indonesien ist im Moment einer unserer größten Märkte, vor allem wegen der Blumentasche. Wir kommen mit dem Produzieren kaum hinterher.
Sie haben erst Wirtschaft studiert, dann Mode, weil Sie einen Deal mit Ihrem Vater hatten, erst etwas "Vernünftiges" zu lernen. Hilft Ihnen das heute?
Unternehmerisches Denken hat man oder hat man nicht. Auf der Uni war mir das Wort Deckungsbeitrag herzlich Banane, heute macht es mir sogar Spaß, das auszurechnen. Das würde ich auch ungern aus der Hand geben. Die Leute glauben oft, dass ich den ganzen Tag vor einer Staffelei sitze und designe, aber ich habe jeden Tag Mitarbeitergespräche, sitze vor Excel-Tabellen und muss Probleme lösen.
Wie bringt man in Zeiten von Zara und Primark junge Leute dazu, mehr Geld für Mode auszugeben?
Ich gehöre nicht zu denen, die meinen, nur weil sie ein Jungdesigner sind, müssen sie 500 Euro für eine Jogginghose verlangen. Bei uns bekommt man eine für 239 Euro. Das ist ein Preis, den man spürt, aber der auch irgendwie möglich ist. Das kann man sich zum Geburtstag wünschen, ohne, dass es fernab der Realität ist.
Warum lieben gerade so viele junge Frauen Ihr Label?
Wir leben stark von unseren Fans. Ich bin ja keine avantgardistische, unnahbare Designerin, sondern wie eine aus meiner Fanbase, die ihren Traum lebt. Ich gebe ja auch selbst viel auf Social Media preis. Das führt dazu, dass junge Mädchen unbedingt ein Teil von uns haben möchten. Und wenn die Hose nicht drin ist, kann man sich noch immer einen Schlüsselanhänger für 40 Euro kaufen und hat das Gefühl, man hat ein Stück Strapskirt. Das sind die Kundinnen von übermorgen.
Gerade wurde Model Gigi Hadid in einer Jogginghose von Ihnen fotografiert. Eine bessere Werbung kann man sich nicht vorstellen, oder?
Stimmt, die Hose war danach ausverkauft. Bei den US-Promis merkt man sofort eine Wirkung. Die Schauspielerin Karrueche Tran hat letztes Jahr auf der NY Fashion Week den Strapskirt (typisches Design mit Gürtelschnallen-Anleihen, Anm.) getragen, eines unserer teuersten Teile. Sie hat ihn auf Instagram gepostet und wir haben ihn in den nächsten zwei Wochen fast 40 Mal verkauft.
Gibt es noch ein Testimonial, das Sie sich wünschen würden?
Ultimativ wäre Herzogin Catherine, aber das passt vom Stil nicht ganz. Das, was sie anhat, ist binnen 24 Stunden ausverkauft. Bei der Herzogin kriegt man als Designer einen anderen Status, aber sie trägt, was ich verstehe, nur Briten.
Woher kommt eigentlich Ihre Faszination für Schnallen, Riemen und orthopädische Korsetts?
Ich wollte für meine Abschlusskollektion an der Esmod eigentlich barocke Schnürkorsagen machen. In meiner Recherche bin ich dann auf ein orthopädisches Korsett aus Metall und Holz gestoßen. Das wollte ich nachbauen und als Material kam nur Leder in Frage. Ich bin in Berlin zwei Wochen bei einem Sattler gesessen und habe mir jedes Werkzeug, jede Kante und jede Verarbeitung erklären lassen. Dann bin ich bei "Lederhobby", so einem Laden für harte Motorrad-Jungs, auf dem Boden gesessen und habe meine Diplomkollektion zusammengeschustert.