San Francisco. Der Officer der Polizeistation am östlichen Ende des Golden Gate Parks in San Francisco fasste es 1967 in zwei schlichten Sätzen zusammen: "Alles in allem sind die Hippies friedlich. Sie sind nur von Zeit zu Zeit ein bisschen nervig, weil sie die vollkommene Freiheit wollen." Es waren John Curran und seine uniformierten Kollegen, die in jenem "Summer of Love", dem Höhepunkt der Hippiebewegung, täglich am Rande des Golden Gate Parks und im anschließenden Viertel Haight-Ashbury patrouillierten und versuchten, den vollkommenen Freiheitswunsch zumindest ein wenig in geordnete Bahnen zu lenken. 100.000 Suchende, Nonkonformisten, Vietnamkriegsgegner, Alternativmediziner und Neugierige strömten vor 50 Jahren aus der ganzen Nation nach San Francisco, um dort eine neue Art von Gesellschaft zu erschaffen.

In Currans Polizeistation hing daher schnell eine große Tafel mit unzähligen Bildern von Jugendlichen. Verzweifelte Eltern versuchten, ausgebüchste Kinder zu finden, die sich der Gegenkulturbewegung angeschlossen hatten. Curran und seine Kollegen rückten regelmäßig mit dem Paddy Wagon (dem Arrestwagen) aus, um sie einzusammeln. Viele der Jungen protestierten nicht nur wegen politischer Themen und sozialer Ungerechtigkeit, sondern forderten mit ihrem Lebensstil den Status quo der Gesellschaft heraus, der sie entstammten. Sie brachen mit dem Konservatismus der 1950er samt fixierten Rollenbildern und vorgeschriebenen Entwicklungswegen. Sie brachten große Hoffnungen und Forderungen mit, auf Frieden, Bürgerrechte für alle, die Gleichstellung von Mann und Frau und Rücksicht auf die Natur - aber wohl auch eine ordentliche Portion Appetit auf sexuelle und Drogen-Experimente.

Ein Winter der Liebe als Beginn

Der Sommer der Liebe hatte bereits im Winter des Jahres begonnen. Ein "human be-in" im Golden Gate Park mit mehr als 30.000 Gleichgesinnten wurde zum Auftakt und Katalysator des Folgenden. Timothy Leary, Psychologie-Professor an der Universität Berkeley und lautstarker Befürworter psychedelischer Erfahrungen, lud im weißen Leinenhemd und mit Blumen an den Ohren die Welt dazu ein, sich anzutörnen, einzustimmen und auszusteigen ("Turn on, tune in, drop out"). Die Hippies - den Ausdruck erschuf Herb Caen, ein mittlerweile verstorbener Journalist aus San Francisco -, die Learys Aufruf folgten, landeten vor allem im heruntergekommenen Viertel Haight-Ashbury, in viktorianischen Häusern, die günstig zu mieten waren und in denen sich schon in den Jahren davor Künstler, Musiker und Schriftsteller angesiedelt hatten. Diese hatten die Nachbarschaft bereits nach ihren Interessen transformiert, exotische Boutiquen reihten sich aneinander mit Kleidern und anderen Schätzen, die junge Amerikaner nach ihrem Dienst im Friedenscorps oder von Selbstfindungstrips aus dem Ausland mitgebracht hatten. Buchgeschäfte priesen in den Schaufenstern Werke über östliche Spiritualität und Psychologie an.

Stadt und Nachbarschaft waren ob des Zustroms an Neuankömmlingen schnell überfordert, lokale Zeitungen sprachen von einer Invasion. Die Straßen von Haight-Ashbury waren gesäumt von Menschen, die auf dem Gehsteig saßen und jeden um Kleingeld anschnorrten, auf der Suche nach einem Schlafplatz oder wenigstens einer Schlafmatte waren oder oberkörperfrei inmitten des Getümmels meditierten. Andere kauften oder verkauften Gras und Psychedelika. Vor allem von Letzterem - in Form von LSD - versprachen sich viele Großes: Die Droge sollte die Persönlichkeit der Menschen durch Bewusstseinserweiterung befreien und verbessern und, so die Annahme, auch die Gesellschaft positiv verändern können. Jeanne Rose, eine Mode-Designerin, erinnert sich in der aktuell laufenden Ausstellung des de Young Museums in San Francisco zum "Summer of Love" an ihre Absichten: "Als ich 1964 das erste Mal LSD nahm, wollte ich dabei helfen, die Welt zu verändern." Bald wurde die massenhafte LSD-Einnahme propagiert.

Schriftsteller Ken Kesey hatte seine ersten LSD-Dosen durch ein Testprogramm der Regierung erhalten (der Grund für deren LSD-Experimente war angeblich, dass man glaubte, die UdSSR, Nordkorea und China würden mithilfe der Droge gefangene US-Soldaten Gehirnwäschen unterziehen). Er und seine Kohorten, die "Merry Pranksters", fuhren in einem bemalten Bus durch die Gegend und veranstalteten öffentliche LSD-Happenings.

Kliniken für Horrortrip-Opfer

Diese Eigenerfahrungen übertrugen sich rasch auf Äußeres. Psychedelische Rockposter, die etliche Konzerte von The Grateful Dead, Jefferson Airplane oder The Byrds ankündigten, hingen bald an jedem Telefonmasten. Davor kannte man lediglich Konzertposter, die mit einfachen Lettern einem Schild ähnelten. Künstler wie Wes Wilson, die die neuartigen, grellfarbigen Rockposter entwarfen, brachen mit allen konventionellen Designvorstellungen. Sie verzerrten Köpfe und Körper, deformierten Buchstaben auf eine Art und Weise, dass sie nur noch mit Anstrengung lesbar waren und dem Auge keinen Ruheplatz gaben. Andere erschienen bei Bestrahlung mit farbigem Licht als animierte Poster. Die Komplexität war durchaus beabsichtigt: Der Betrachter war so gezwungen, sich mit dem Poster länger auseinanderzusetzen.