Ikea-Besuchern ist die blaue Tragetasche aus Plastik, die ein bisschen aussieht wie eine ausgebeulte Regentonne, wohl vertraut. Optisch ist die Tasche nicht unbedingt ein Hingucker, das Design folgt eher praktischen Anforderungen. 25 Kilogramm Belastung, 71 Liter Stauraum weisen die Produktmaße aus. "Leicht zu reinigen; einfach mit Wasser abspülen und trocknen lassen", heißt es in der Produktbeschreibung. Und: "Auch für die Abfalltrennung geeignet." Die Tasche, die man für 50 Cent erstehen kann, ist längst Kult geworden, die Frakta, wie das Produkt im Ikea-Jargon heißt, gehört zum Inventar des Möbelgeschäfts wie das berühmte Billy-Regal. Es gibt mittlerweile - dafür sorgt die sogenannte Ikea-Hack-Community - Baseball-Caps, die aus dem blauen Plastik fabriziert werden, Atemschutzmasken, Gummistiefel, Regencapes und sogar Stringtangas. Das Design ist zeitlos. "Die Frakta ist ein temporärer Gegenstand, der dauerhaft geworden ist", schreibt der Design-Kritiker Will Wiles im Online-Magazin "Dezeen".

Die Kult-Tasche inspiriert auch Designer. Das französische Luxuslabel Balenciaga hat kürzlich eine Designer-Tasche präsentiert, die der Frakta verblüffend ähnlich sieht. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass das Ikea-Logo nicht am Tragegriff prangt und das Accessoire mit rund 2000 Euro 4000 Mal teurer ist als das Original. Das Design des blauen Imitats ist ähnlich minimalistisch und reduktionistisch. Es ist schon ironisch: Heute kopieren nicht Billigmarken Luxusmarken, sondern Luxusmarken Billigmarken.

Humorvolle Handreichung

Ikea nahm den Design-Klau recht gelassen. Auf Instagram postete das schwedische Möbelhaus eine Handreichung, wie man das "Original" von der Luxusvariante unterscheiden könne. "1. Schüttel sie. Wenn die Tasche raschelt, ist es das Original. 2. Sie ist multifunktional - sie kann Hockey-Equipment tragen, Steine und sogar Wasser transportieren. 3. Schmeiß sie in den Dreck. Eine richtige Frakta wird einfach nur mit dem Gartenschlauch abgespült, wenn sie dreckig ist." Das war eine humorvolle Reaktion, die aber nicht verhindern konnte, dass ein Kultobjekt, das in fast jedem Haushalt vorhanden ist, zu einem Luxusobjekt umcodiert wird.

Die schwedische Möbelhauskette versteht sich darauf, Design mit allgemeiner Verfügbarkeit zu verbinden. Ikea ist so etwas wie das skandinavische Wohlfahrtsstaatsmodell für Einrichtungsgegenstände. Und das ist auch das Selbstverständnis des Konzerns, dessen Chef alle duzen dürfen. "Design for Everyone", lautet das Motto. "Wir glauben, dass jeder ein Recht auf ein besseres tägliches Leben hat. Demokratisches Design ist unsere Antwort darauf", postuliert das Unternehmen auf seiner Webseite. Diesen Anspruch hat Ikea bereits in seinem "Unböring Manifesto" formuliert, einem jener typischen Neologismen, die englische Begriffe (in dem Fall "boring" für langweilig) pseudo-skandinavisieren, indem sie einen schwedisch anmutenden Umlaut integrieren. "In der Vergangenheit", heißt es in dem Manifest, "konnten sich die Leute, die ein schöneres Zuhause brauchten, dieses häufig nicht leisten. Das war langweilig." Das zeigt, dass Ikea Ästhetik nicht nur universalistisch versteht, sondern auch narrativ: Design soll unterhaltsam sein - und eine Geschichte erzählen. Die Kreativ-Szene, die Frakta-Taschen wie ein Billy-Regal zu Regencapes und Gummistiefeln ummodelt, setzt das Do-it-yourself-Ideal des Unternehmens fort. Man trägt mit der Tasche ja nicht nur Einrichtungsgegenstände mit sich herum, sondern auch das Gefühl einer Plug-and-Play-Lösung: Man kann einfach einziehen und losleben. Doch wenn die Frakta nun zur Vorlage für ein formatiertes Luxusobjekt wird, das keine informelle Nutzungsmöglichkeit mehr vorsieht, droht das Selbstverständnis des demokratischen Designs erodiert zu werden.