"Jede Frauengeneration, die gewonnene Rechte nicht verteidigt hat und neue nicht erobern wollte, hat schon ein Stück von ihnen verloren." Diesen Satz der deutschen Schriftstellerin Marielouise Janssen-Jurreit setzt Petra Unger als Motto über ihr Buch "Frauen Wahl Recht", das in seiner sprachlichen Klarheit und gedanklichen Radikalität zu den lesenswertesten feministischen Standortbestimmungen der letzten Zeit gehört.

Petra Unger hat einen Master of Arts in Gender Studies und Feministischer Forschung und hat die Wiener Frauenspaziergänge ins Leben gerufen, in denen sie Frauenkultur vermittelt und die Zusammenhänge einer bis in die Gegenwart reichenden Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben aufzeigt. Politisch positioniert sich Petra Unger links.

Zäher Weg zur Anerkennung

Das ist erwähnenswert, da ihr Buch "Frauen Wahl Recht" eine erstaunliche Publikationsgeschichte hat: Trotz des aktuellen Anlasses (100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich) war keine einschlägige Publikation in Sicht. Die St. Nikolausstiftung der Erzdiözese Wien, für die das Frauenwahlrecht einen unterstützenswerten Schritt zu Demokratie und Gerechtigkeit bedeutet, hat daraufhin Petra Unger den Auftrag zu dieser Arbeit erteilt - das sollte eigene Koordinaten überdenken lassen.

Zumal Petra Unger von ihrer Position keinen Deut abrückt. So weist sie etwa im historischen Abriss nach, dass selbst bedeutende Aufklärer wie John Locke und Jean-Jacques Rousseau gedanklich versagten, wenn es um die Gleichstellung der Frau in der Politik geht: Locke postuliert finanzielle Unabhängigkeit als Grundlage der Politiker, Rousseau die Fähigkeit zur Vernunft - beide sprechen der Frau diese Grundbedingungen ab.

In der Folge schildert Unger am Beispiel Österreich den zähen Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung der Frau, der vor allem über die Bildung beschritten wurde. Unger zeigt singuläre Gestalten wie Marianne Hainisch und die noch mehr konfliktbereite Auguste Fickert als Wegweiserinnen zur ersten Frauenbewegung, die mit Frauenstreik, Frauendemonstration der männlich dominierten Gesellschaft die Anerkennung abringen.

Mit dem Zerfall der Monarchie erhalten Frauen 1918 zum ersten Mal das Wahlrecht. In der Folge zieht Unger einen großen und detailreichen Bogen bis in die Gegenwart: Erste Frauen im Parlament, Gesetze und das Rote Wien stärken die Position der Frau. Hildegard Burjan ist die erste christlichsoziale Nationalratsabgeordnete und gründet die bis heute aktive Caritas Socialis, wofür sie 2012 seliggesprochen wird. Im Jahr 1934 bricht die Erste Frauenbewegung zusammen, "zurück an den Herd" heißt es nun. Im Abschnitt über den Nationalsozialismus klagt Unger weibliche Täterinnen an und beklagt ihre Opfer, sie kratzt an Mythen wie den Trümmerfrauen und beschreibt die zweite Frauenbewegung, die, vorangetrieben von Johanna Dohnal, über deren Tod hinaus bis in die Gegenwart für Frauenrechte kämpft.

Emanzipation bedeutet Freiheit

"Je emanzipierter und freier die Frauen", resümiert Unger, "umso emanzipierter die gesamte Gesellschaft", sie plädiert gegen die Ausgrenzung von Migrantinnen und stellt fest: "Die Frauen von heute haben die Wahl und die Kraft, darüber zu entscheiden, in welcher Gesellschaft sie leben wollen." Damit bindet Unger Frauenrecht und Demokratie in wechselseitiger Wirkung aneinander. Das ist so kühn wie logisch gedacht.

Unger trägt ihre Positionen stilistisch brillant und leidenschaftlich vor. Oft sind sie radikal, bisweilen überzogen - aber das ist gut so, denn nur solche Positionen können einen Diskurs in Gang setzen und eine Entwicklung von Gesellschaft und Demokratie bewirken. Weshalb dieses kluge, glänzend recherchierte und streitbare Buch nicht nur Frauen, sondern vielleicht gerade Männer lesen sollten.

Sachbuch

Frauen Wahl Recht - Demokratie und Frauenrechte

Petra Unger

St. Nikolausstiftung, Wien 2018, 111 Seiten; zu bestellen bei office@nikolausstiftung.at
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