Obwohl vor allem von der entspannenden Wirkung des Buntstiftschwingens geschwärmt wird, ist das Hobby keineswegs eines für das stille Kämmerlein. In den USA sind Maltreffen, zu denen Buchhandlungen einladen, der Renner. Es gibt auch Gruppen, die das Kindliche und das Erwachsene verbinden: Eine davon nennt sich "Pencils and Pinot".
Solcherlei Unentschlossenen zwischen Alt- und Jungsein hilft auch gern die Kunst aus. Wie Street Artist Banksy, der dieses Wochenende einen Freizeitpark eröffnet. Oder jene Galerie in London, die in diesem Sommer ein Bällebad à la Ikea-Kinderecke für Erwachsene anbot.
Glitzer-Uhu!
Wann hat dieser Zug zum Rückzug seinen Anfang genommen? War es, als gestandene Männer begannen, wieder mit dem Roller in die Arbeit zu fahren? Oder geht das schon viel länger so? Tatsächlich ist die Kindergarten-Regression ein so beachtlicher Geschäftszweig, dass es sogar einen Begriff dafür gibt: "Peter Pan Industrie". Peter Pan wollte ja bekanntlich nie erwachsen werden.
Und in dieser Industrie gibt es Bereiche, die noch kurioser sind als Malbücher für Erwachsene. Obwohl es gut sein kann, dass die auch zur Verwendung kommen bei "Preschool Mastermind", das sind Vorschulklassen für Erwachsene in Brooklyn. Dort darf noch beherzt zum Glitzer-Uhu gegriffen werden in der Bastelecke, dort wird ehrgeizig "Reise nach Jerusalem" gespielt, nach dem Essen gibts ein Schläfchen und keiner schaut einen schräg an, wenn man die ganze Zeit rosa Elfenflügerl trägt. Der Preis für ein Monat Zurückspulen in die Kindheit: 999 Euro. Wer sich lieber in die Ferienzeit der Jugend (neun! Wochen!) zurückbeamt, der kann sich bei "Camp Grounded" in Kalifornien anmelden. Der Slogan: "Wo Erwachsene den Stecker rausziehen und wieder Kind sein dürfen". Das Stichwort Digital Detox spielt hier eine Rolle: Handys und Tablets müssen abgegeben werden, über Arbeit darf nicht gesprochen werden - aber wer will das schon, wenn er Völkerball spielen kann und Tauziehen.
Extrem-Sandkastening
Soziologen haben sich Gedanken gemacht über das Phänomen. Manch einer sieht es in Verbindung damit, dass viele Mittzwanziger bis Mittdreißiger heute im Schatten der Wirtschaftskrise nach missglücktem Start ins Erwachsenenleben wieder bei den Eltern unterkommen müssen. Regression durch Rezession, quasi.
Doch die schnelle, aber total repräsentative Social-Media-Umfrage zeigt, dass man gar nicht so weit reisen muss, um in die Vergangenheit zu reisen. Es ist nämlich bei erwerbstätigen Erwachsenen unterschiedlichen Alters ein verbreitetes Phänomen, sich alte Kinderhörspiele oder Kinderserien zur Entspannung zu Gemüte zu führen. Großer Beliebtheit erfreuen sich da "Die drei ???", manche greifen lieber zu Disney-Klassikern, andere bevorzugen Märchen. Auch Kuschel-Alien Alf kommt da noch zu seinen Kassetten-Ehren. Und wie die aktuelle Aufregung um den erschlankten Pumuckl erahnen ließ, begleitet der rothaarige Kobold auch viele Erwachsene noch heute: Was beruhigt besser als die schrille Stimme eines hysterischen Klabautermanns?