"Furchtsame, ängstliche Menschen sehen eine Zukunft voller Schwierigkeiten und schwelgen während ihres gesamten Lebens in Worst-Case-Szenarien, die sich in vielen Fällen niemals verwirklichen." Der renommierte US-amerikanische Neurowissenschafter Joseph LeDoux weiß, wovon er spricht, wenn er in seinem neuen Buch "Angst" schreibt: "Aber genau wie das Gehirn lernen kann, ängstlich zu sein, so kann es auch lernen, nicht ängstlich zu sein." Denn das Gehirn sei anpassungsfähig. Die Forschung auf diesem Gebiet habe jedoch trotz etlicher Fortschritte noch eine weite Strecke vor sich.

LeDoux, Professor an der New York University, hat mit seinem jüngst auf Deutsch veröffentlichten Buch ein alle Aspekte von Angst und Furcht ausführlich behandelndes wissenschaftliches Standardwerk geschaffen - mit einer Vielzahl von Fußnoten, einer umfangreichen Bibliografie und einem langen Personen- und Sachregister. Selbstkritisch merkt er bereits in der Einleitung an, dass er sich aufgrund früherer Veröffentlichungen mitverantwortlich für manche falsche Vorstellungen zu diesem Thema fühlt und seine Aufgabe darin sieht, "die Geschichte zurechtzurücken, bevor sie noch weiter aus der Bahn gerät".

Umlernen im Kopf - statt in der Konfrontation

Es sei eines der wichtigsten Ziele seines Buches, "eine neue Sichtweise für Furcht und Angst zu vermitteln, die genau zwischen dem unterscheidet, was wir von Tieren lernen können, und dem, was wir besser an Menschen untersuchen". Es bedürfe eines strengen begrifflichen Rahmens, "damit wir verstehen können, was Tierversuche für das Gehirn des Menschen bedeuten und was nicht". Bei einer Bedrohung durchlebt die Amygdala, die "Mandelkern"-Region in unserem Gehirn, Angst, die an den Hypothalamus übermittelt wird, was in der Folge zur Ausschüttung diverser Hormone führt, vor allem des Stresshormons Cortisol durch die Nebennierendrüsen. Pionierarbeit auf dem Gebiet dieser Alarm-Reaktion im Körper haben die Forscher Walter Cannon und Hans Selye geleistet.

Das Empfinden von Angst und Furcht hängt eng mit dem menschlichen Bewusstsein zusammen, damit, wie sich gravierende Erlebnisse im Gedächtnis verankert haben. LeDoux, den "Die Zeit" mit dem Titel "Herr über die Erinnerung" bedacht hat, widmet sich auch der Frage, ob und wie man stetig wiederkehrende Angstzustände bewältigen kann - etwa durch Konfrontation mit den Bedrohungen beziehungsweise durch Auslöschung traumatischer Erinnerungen. Für besser als die Auslöschung hält er dabei die "vorsorgende Vermeidung": Darunter versteht LeDoux "Verhaltensweisen und Gedanken, die sich unmittelbar mit Angstauslösern beschäftigen, um durch Lernen deren Auswirkungen abzuändern und damit den Organismus in die Lage zu verssetzen, Kontrolle über sie auszuüben". Vereinfacht gesagt: Reaktionen, wie jene von Tieren, die bei drohender Gefahr erstarren, kann sich der Mensch unter Umständen abtrainieren.