Am 15. Juni 2002 wurde Friedrich Cerhas Peter-Turrini-Oper "Der Riese vom Steinfeld" (ein Auftragswerk der Wiener Staatsoper) im Haus am Ring uraufgeführt.

Der Mitschnitt aus der Uraufführungsserie liegt nun in der Reihe "Wiener Staatsoper live" auf einer Doppel-CD des ORF vor.

Zur Erinnerung. Peter Turrinis erstes Opernlibretto basiert auf einer wahren Begebenheit: auf der Lebensgeschichte des Bauernburschen Franz Winkelmeier, der vor 120 Jahren im Salzburgischen als größter Österreicher (2,58 Meter) lebte und im Alter von 27 Jahren an einer Lungenentzündung starb. Aus dieser Geschichte hat Turrini ein knappes, dichtes und zwingendes Libretto geschneidert, das in 14 kurzen Szenen die Stationen des Leidensweges eines Außenseiters der Gesellschaft poetisch und auch (be)rührend nachzeichnet.

Cerhas Musik beißt nicht und tut niemandem weh, zeichnet sich durch Expressivität, Sinnlichkeit, betörende Süße und schmerzliche Wehmut aus, wobei eine gewisse Nähe zu Alban Berg nicht zu überhören ist.

Wenn man dem Werk jetzt nur akustisch (auf den beiden CDs) begegnet, also ohne Inszenierung von Jürgen Flimm und ohne die Bühnenbilder von Erich Wonder, dann tut es dennoch seine Wirkung. Es hat also doch Qualität. Das sei jenen ins Stammbuch geschrieben, die sich anlässlich der Uraufführung des "Riesen vom Steinfeld" im Juni des Vorjahres so abfällig über das Werk geäußert haben.

An dieser positiven Wirkung hat freilich auch eine ganze Reihe von ausgezeichneten Künstlern "Schuld".

Da ist der souveräne Modernespezialist Michael Boder, der am Pult des verschwenderischen Klangluxus verströmenden Staatsopernorchesters durch sein ungemein eindringliches Dirigat besticht.

Ein Glücksfall für sich ist natürlich Starbariton Thomas Hampson in der Titelpartie. Die schmerzliche Intensität, mit der er die Sehnsüchte und das Leid des Riesen singt, macht auch auf CD betroffen.

Atemberaubend sind Stimmakrobatik und Sicherheit von Diana Damrau in der mörderischen Partie der "kleinen Frau". Intensiv und berührend Michelle Breedt als Mutter. Prächtig auch Herwig Pecoraro (Klammerschneider), Wolfgang Bankl (Zirkusdirektor), Alfred Sramek (Teufel), Heinz Zednik (Kaiser Wilhelm II.) und Margareta Hintermeier (Königin Viktoria).

Wer den "Riesen vom Steinfeld" in der Wiener Staatsoper erlebt hat, für den ist die CD ja eigentlich sowieso Pflicht. Und wer ihn nicht erlebt hat, der braucht vor dem Riesen auch keine Angst zu haben . . .
Friedrich Cerha: Der Riese vom Steinfeld, ORF CD 660