Im Prinzip haben Belle and Sebastian alles richtig gemacht, seit sie Mitte der 1990er Jahre mit federleicht-anschmiegsamem, leicht konzertantem, gleichwohl agilem und eigentlich ziemlich temporeichem Folk-Pop die Meinungsmacher begeistert und recht schnell auch ein recht breites Publikum erobert haben.
Sie haben sich keine Stagnation und kaum Ausfälle geleistet - lediglich das nachgerade provokant schlappe Album "Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant" von 1999 kann vollinhaltlich als solcher verbucht werden. Über den Lauf von mehr als zwei Dekaden und zehn LPs haben sie sich verschiedenen Einflüssen geöffnet - Soul, Rock, Schlager im Sinne eines Burt Bacharach - und generell einen moderaten Schwenk Richtung Power-Pop vollzogen; auf ihrer tollen letzten LP, "Girls In Peacetime Want To Dance", haben sie gar den Dancefloor im Sturm genommen.
Natürlich konnten Kritiker nicht umhin, zu bemerken, dass von der "Magie der frühen Tage" einiges auf der Strecke geblieben ist - wie das halt so geht, wenn man gleich in den ersten Karrierejahren solche weltmeisterlichen Song-Kaliber wie "The State I Am In", "Like Dylan In The Movies", "A Century Of Fakers" oder "It Could Have Been A Brillant Career" zu Dutzenden verbraten hat. Aber die Band hat sich nie abgenützt und ist nie zu dem Punkt gekommen, dass "man sie nicht mehr hören kann". Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - ist man ganz froh, dass Belle and Sebastian über weite Strecken ihres neuen Longplayers, "Days Of The Bagnold Summer", wieder ihre "klassische" Ära aufgreifen.
Dabei ist das Album durchaus ein Stück davon entfernt, restlos zu überzeugen. Der Grund dafür ist, dass es ein Soundtrack ist. Warum sich Belle and Sebastian schon zum zweiten Mal auf einen Film-Score einlassen, bleibt ein kleines Rätsel, denn ihr erster cineastischer Ausflug brachte 2002 außer ihrer zweitschlechtesten LP ("Storytelling") auch ein ordentliches Zerwürfnis mit Todd Solandz, dem Regisseur des gleichnamigen Streifens.
Sängerknaben-Stimme
Der Film "Days Of The Bagnold Summer" wiederum markiert das Regie-Debüt des englischen Schauspielers und Autors Simon Bird und basiert auf einer preisgekrönten Graphic Novel aus der Feder Joff Winterharts, die von einem katatonisch wirkenden 15-jährigen Heavy-Metal-Fan und seiner so aufopfernd-fürsorglichen wie nervigen Mutter handelt. Fast naturgemäß ist der Soundtrack nicht ganz frei von der patchworkhaften Anmutung, die "Storytelling" beeinträchtig hat. Aus einer rein albumdramaturgischen Perspektive hätte es mindestens zwei der vier Instrumentals ebenso wenig gebraucht wie die zwei Neuauflagen alter Glanzstücke, die Bird als Fan hineinreklamiert hat.
"Get Me Away From Here, Im Dying" von 1996, einer der vielen BaS-Songs, die sich inhaltlich durch reichlich Drastik und Zynismus fast schockierend mit der "Sanftheit" der Musik schlagen, kommt hier etwas weniger schwindsüchtig. Auch das schläfrige "I Know Where The Summer Goes", 1998 auf der EP "This Is Just A Modern Rock Song" enthalten, steht hier auf etwas kräftigeren Beinen. Dazu wurde mit dem hübschen, spielerischen "Safety Valve" auch noch ein antikes Stück aus Prä-Belle-and-Sebastian-Zeiten ausgegraben. Dass aber gleich mehrere der neuen Songs diesen alten Großtaten ebenbürtig sind, macht das Album trotzdem zu einem Ereignis.
Und es tut ihm sehr gut, dass die Stilmittel "mit der Zeit gegangen" sind: Wenn Haupt-Songschreiber Stuart Murdoch das melodisch sensationelle "Wait And See What The Day Holds" interpretiert, so lässt der Schmelz in seiner Sängerknaben-Stimme auch die letzten 20 Jahre hören. Der rhythmisch kompakte Pop-Rock von "Sister Buddha" braucht keinen Vergleich mit Meistern dieses Fachs wie den Go-Betweens zu scheuen, und das reduzierte, von einer jazzigen Trompete interpunktierte "This Letter" atmet so tief Late-Night-Feeling, dass man alsgleich die Vorhänge zuziehen möchte.