Es beginnt relativ aufgerieben-harmoniefrei und mit einem Schlagzeug, das im Mix hörbar im Vordergrund steht. Ersteres renkt sich bald wieder ein, Zweiteres bleibt weitgehend erhalten - und untermauert die Dringlichkeit, mit der die Akteurin ans Tagwerk schreitet. Es setzt wuchtige, zum Kopfnicken ladende Beats und den einen oder anderen wippenden und kippenden Groove zwischen weichen Knien und erheblichem Hüftschwung.

Künstlerische Dringlichkeit hat die 30-jährige US-Sängerin, Songwriterin und Gitarristin Brittany Howard bekanntlich bereits auf zwei Alben mit ihrer Band Alabama Shakes bewiesen. Deren im Vintage-Sound auffahrender, auf das künstlerische Erbe der Südstaaten, also eine Lawine an Black-Music-Einflüssen gebauter Rootsrock mit der Grundgestimmtheit eines emotionalen Erdbebens schien vor allem eine Frage zu stellen: Warum innerlich tot sein, wenn man das Leben noch bis in die letzte Zelle hinein spüren kann? Und er war damit trotz seines kantigen Sounds für eine Welt abseits von Radio Trallala so infizierend, dass sich bereits das Debütalbum "Boys & Girls" von 2012 wie warme Semmeln verkaufte und vier Grammys für den Nachfolger "Sound & Color" von 2015 endgültig Dollarregen bedeuteten. Die Geschichte der einst in bescheidenen Verhältnissen in Athens im Bundesstaat - erraten - Alabama aufgewachsenen Musikerin ließ sich so auch über den in seiner Existenz bedrohten amerikanischen Traum erzählen.

Das nun vorliegende Solodebüt mit dem Titel "Jaime" (Sony Music) fügt dieser Geschichte weitere biografische Fußnoten hinzu. Benannt nach Brittany Howards jung verstorbener Schwester, wird es aber zu keinem Totengedenken, sondern zu einer Feier des Lebens.

Erweckung und Kirchenhader

"Jaime"-Albumcover.
"Jaime"-Albumcover.

Warum aus dem Material trotz eines artverwandten musikalischen Fundaments nicht das dritte Album ihrer Stammband entstehen konnte, erschließt sich rasch. Howard wollte diesmal keinen (Southern-)Rock walten lassen und setzt verstärkt auf Soulfulness, noktambule R&B-Grooves und spröden Funk mit Jam-Charakter. Über allem schwebt als Einfluss nicht zuletzt Prince, dessen situationselastischer Stimmeinsatz auch bei Howard einen raschen Wechsel vom sexuellen Urschrei im Falsett hin zum sinnlichen Raunen im Kellerstübchen bedeutet.

Der Song "Goat Head" handelt von einem rassistischen Angriff auf die Familie Howard während Brittanys Kindheit, "Georgia" schildert eine Art lesbisches Erweckungserlebnis unter Zuhilfenahme einer schmirgelnden Kirchenorgel und himmelwärts fahrender Sounds. Von Kirchenhader hingegen ist "He Loves Me" geprägt. Im Vordergrund wähnt sich die Sängerin der Liebe Gottes sicher, obwohl sie sich als Joints ziehende Sünderin zu erkennen gibt, im Hintergrund gibt ein TV-Prediger seinen Sermon dazu. Dass sie sich sowohl musikalisch als auch stimmlich zurücknehmen kann, demonstriert Howard wiederum mit "Short And Sweet", das die Vorahnung einer verhängnisvollen Liebe skizziert, auf die man sich trotzdem einlässt.

Auf eine höhere Ebene gehoben wird diese Einstellung gleich im Anschluss bei "13th Century Metal", das über einem fiebrigen Breakbeat zu einer Brandrede für die Liebe und zu einem Plädoyer für den Zusammenhalt in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung anwächst. Das mag als naiv bezeichnet werden. Bei Brittany Howard allerdings klingt es ansteckend.